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Der Tag an dem ich erwachte

Der Tag an dem ich erwachte

Titel: Der Tag an dem ich erwachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilia Miller
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mich allein großgezogen, sie musste hart arbeiten und hatte kein schönes Leben. Ich tat zwar, was ich konnte, um es ihr zu erleichtern, doch es war nie genug. Sie war immer traurig. Verbittert. Ich kann mich kaum daran erinnern, dass sie je lächelte. Greg war der erste Mensch, der mir gezeigt hatte, was Liebe bedeutet.“ Ich hielt inne, als ich merkte, wie Ryan schmerzlich zusammenzuckte. „Verzeih mir, Ryan“, senkte ich die Augen, beschämt über meine Taktlosigkeit. „Ist es dir unangenehm, wenn ich von ihm erzähle?“ Er nahm einen tiefen Schluck Kaffee und räusperte sich.
    „Ja, das ist es“, gab er schließlich zu. „Aber ich komme schon damit klar, Ho… Gail. Genau wie mit deinem neuen Namen. Erzähl weiter!“, forderte er mich auf.
    „Ich habe sehr früh geheiratet, ich war noch nicht mal achtzehn. Es war eine Blitzhochzeit, so was nennt man wohl die Liebe auf den ersten Blick.“ Ich merkte, wie ein Hauch Zweifel kaum merklich über Ryans Gesicht huschte, und es machte mich aus irgendeinem Grund wütend. „Was ist los, Ryan, glaubst du etwa nicht an die Liebe auf den ersten Blick?“
    „Wenn ich nicht daran glauben würde, wären wir beide nicht hier“, erwiderte er nüchtern. „Erzähl weiter.“
    „Ich war eine gute Schülerin, eine gute Tochter. In jeglicher Hinsicht ein braves Kind. Nach der Schule erledigte ich den Haushalt und machte die Hausaufgaben. Träumte davon, eines Tages aufs College zu gehen, doch meine Mutter konnte es nicht finanzieren, und für ein Stipendium haben meine Noten leider nicht gereicht. Ansonsten hatte ich nicht viele Träume, ich lebte einfach nur so vor mich hin, Tag ein, Tag aus. Hatte nicht einmal einen Freund. Greg war mein erster.“
    „Natürlich war er dein erster“, murmelte Ryan mit einem eigenartigen Gesichtsausdruck.
    „Wie war das, Ryan?“, fragte ich überrascht nach, und er entschuldigte sich hastig.
    „Verzeih mir, Liebling, ich…“ Er stand auf, stellte die leere Kaffeetasse in die Spüle, holte ein Glas aus dem Küchenschrank und goss sich Scotch ein. Leerte das Glas in einem Zug und goss sofort nach. „Auch ein Glas?“ Ich nickte. Er holte Eiswürfel aus dem Gefrierfach und goss mir zusätzlich noch etwas Soda ein. Ich nahm einen großzügigen Schluck und spürte, wie sich eine angenehme Wärme in meinem Inneren ausbreitete.
    „Das war eine gute Idee“, lobte ich ihn.
    „Ich bin berühmt für meine guten Ideen“, sagte er mit wenig Begeisterung. „Ich bin eifersüchtig, das gebe ich zu. Es tut weh, zu hören, dass du einen anderen Mann vor mir geliebt hast, obwohl es nichts Außergewöhnliches ist, vor allem bei einer Frau, die so schön ist wie du. Trotzdem tut es weh. Aber darauf können wir im Moment wirklich keine Rücksicht nehmen, deswegen werde ich mich jetzt besaufen!“, kündigte er an und prostete mir zu. „Und wenn ich wieder eine dumme Bemerkung mache, dann schieb sie einfach auf den Alkohol.“
    „Ich verstehe dich, Ryan“, sagte ich voller Bedauern. „Denk nur daran, wie ich ausgeflippt bin, als du mir von dieser Alice erzählt hast. Dabei warst du nicht mit ihr verheiratet.“
    „Nein, das war ich nicht“, lachte er sarkastisch auf und goss uns beiden Scotch nach. „Stört es dich, wenn ich rauche?“, fragte er.
    „Du rauchst?“, wunderte ich mich.
    „Nur selten, aber jetzt ist mir danach. Ist es okay?“
    „Klar. Tu dir kein en Zwang an.“ Er holte aus der Küchenschublade eine Schachtel Zigaretten heraus, kippte das Fenster und zündete sich die erste Zigarette an. Ich kräuselte kurz die Nase, doch bald gewöhnte ich mich an den Rauch, und schon bald war die Packung leer. „Nach meinem Schulabschluss arbeitete ich als Bardame“, setzte ich meinen Bericht fort. „Es war wahrhaftig kein Traumjob, aber meine Mutter und ich kamen gut über die Runden. Ich glaube, es war ihr ganz recht, dass ich nicht aufs College ging. Ich glaube sogar, dass sie insgeheim hoffte, dass ich für immer bei ihr bleiben würde. Deswegen hat sie sich auch so sehr gegen meine Heirat mit Greg gesträubt. Sie ließ nichts unversucht, um sie mir auszureden. Er sei doch so alt, dass er mein Vater sein könne, keifte sie gehässig. Er würde mich nur ausnutzen und mich eines Tages wie ein benutztes Taschentuch wegwerfen. Genauso wie mein Vater es mit ihr getan hatte. Alle Männer seien gleich. Doch zum ersten Mal ließ ich mir nichts von ihr sagen, sondern tat, was ich wollte. Meine einzige Freundin Ava war dabei, als ich

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