Der Tag, an dem John Dillinger starb
Pancho Villa gehört?«
»Klar!«
»Juan gibt sich als sein Neffe aus. Das stimmt natürlich nicht, aber es wirkt bei den Bauern.«
Villa lächelte strahlend, als er Fallon erkannte. Er hob war nend die linke Hand, während seine beiden Begleiter nach vorn und hinten zu den Durchgangstüren des Wagens gingen.
»Ihr tätet gut daran, eure Waffen auf den Boden zu legen, alter Freund«, sagte er in schlecht verständlichem Englisch. »Ich wäre traurig, wenn ich dich erschießen müßte.«
»Wir sind unbewaffnet, Juan«, versicherte der Alte ihm.
»Dann bleibt, wo ihr seid, und mischt euch nicht ein!«
Er hob seinen Revolver und jagte einen Schuß in die Decke. Die Wirkung war verblüffend: Die eben noch schlafenden Fahrgäste schraken auf, stießen unterdrückte Schreie aus und schwiegen dann ängstlich.
»Wir lassen jetzt den Hut rumgehen«, kündigte Juan Villa an. »Ihr tätet gut daran, großzügig zu spenden.«
Dillinger überlegte sich, daß Banken verdammt viel besser als Züge waren. Weniger Risiko, mehr Beute. Aber vielleicht gab es in Mexiko nicht genügend Banken.
Die Schiebetür neben Dillinger wurde aufgestoßen, und der Schaffner kam herein. Er zögerte kaum eine Sekunde lang, ehe er sich herumwarf, um zu flüchten – zu spät. Der Bandit, der dieses Ende des Wagens übernommen hatte, schoß ihn in den Rücken.
Unfair! dachte Dillinger.
Ein Kind schrie, aber seine Mutter hielt ihm rasch den Mund zu. Der Schaffner lag stöhnend im Durchgang zwischen Perso
nen- und Gepäckwagen. Dillinger sprang auf.
Die Kerle packen die ganze Sache falsch an, überlegte er sich.
Villas Revolver war sofort auf ihn gerichtet, und Fallon rief erschrocken: »Nein, Juan, nein!«
Villa zögerte und zuckte dann mit den Schultern. »Ich bin dir ‘n Gefallen schuldig gewesen. Jetzt sind wir quitt.« Er wandte sich an den Banditen, der auf den Schaffner geschossen hatte. »Sperr sie in den Gepäckwagen und komm wieder her!«
Fallon gab Dillinger einen Stoß. »Los, beeil dich schon!«
Der Schaffner stöhnte nicht mehr. Sie stiegen über den Toten hinweg. Der Bandit bückte sich, um dem Erschossenen den Schlüsselbund zu entwinden, den er noch in der rechten Hand hielt, und folgte ihnen dann in den Gepäckwagen.
»Verdammte Gringos!« knurrte der Bandit. »Mit euch ma chen wir lieber kurzen Prozeß.« Er ließ den Schlüsselbund fallen und zog den Hammer seines Revolvers mit dem Daumen zurück.
»Das wird Villa nicht gefallen!« rief Fallon erschrocken.
»Ich sag einfach, ihr hättet mich überfallen.«
Der Bandit preßte die Mündung seines Revolvers in Dillin
gers Rücken. Dieses Manöver hatte Dillinger schon hundertmal geübt: Er hatte sich vorgestellt, daß ein Polizeibeamter ihn mit schußbereiter Waffe dazu zwingen wollte, vor ihm herzumar schieren. Dillinger hob die Hände und drehte sich auf dem linken Fuß um die eigene Achse; sein linker Arm schlug die rechte Hand des Banditen, in der dieser den Revolver hielt, nach unten, während Dillingers jetzt zur Faust geballte rechte Hand ihre Bewegung fortsetzte und ins Gesicht des Mannes krachte. Sobald Dillingers linker Arm die revolverbewehrte Hand des Banditen umschloß, riß er ihn ruckartig hoch und hörte den Knochen knackend zersplittern. Der Angreifer ließ den Revolver fallen und brach mit einem Aufschrei zusammen.
Fallon hob sofort die Waffe auf.
»Du bleibst hier«, wies Dillinger ihn an. »Ich versuche, den
Pullmanwagen zu erreichen. Vielleicht können wir sie von zwei Seiten gleichzeitig angreifen.«
Dillinger öffnete die Wagentür, die in der kalten Luft aufflog und gegen die Außenwand des Gepäckwagens knallte. Der Zug hatte seine Geschwindigkeit unterdessen auf höchstens dreißig Stundenkilometer verringert. Er reckte sich auf dem Trittbrett stehend, bekam die Dachkante zu fassen und zog sich mit einem Klimmzug hoch.
In der Dachmitte führte ein Laufsteg nach vorn. John Dillin ger sprang vom Gepäckwagen aufs Dach des Wagens zweiter Klasse. Die Sterne waren inzwischen verblaßt, und im Osten färbten die dunklen Gipfel sich bereits rot, als er aufs Dach des Pullmanwagens sprang, um sich am vorderen Ende hinunterzu lassen und die Wagentür von außen zu öffnen.
Eine halbe Minute später klopfte er an Riveras Abteiltür. Sie wurde fast augenblicklich geöffnet. Dillinger schob Rivera ins Abteil zurück und schloß die Tür hinter sich.
Rivera war offenbar eben erst
Weitere Kostenlose Bücher