Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Titel: Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Steen
Vom Netzwerk:
zuvor.
    „Frau Sommerfeldt“, sagte er, reichte ihr zur Begrüßung die Hand und lächelte sie an. „Ihr Mann war gerade erst dran. Er liegt noch im Aufwachraum. Wenn Sie wollen, können Sie ihn da besuchen.“
    „Ist denn alles gut gegangen?“, fragte Claudia bangen Herzens.
    „Aber ja doch“, sagte er. „Das kleine Biest ist drin, es sitzt, wackelt und hat Luft. Letztes Mal lief das ja nicht so toll, hab ich gehört. Hoffen wir, dass er diesmal drinbleibt. Ich bin da sehr zuversichtlich.“ Er unterbrach sich, um versuchsweise an dem Automaten zu rütteln, aber der rührte sich nicht. Erst als er ihm ein paar Faustschläge verpasst hatte, gurgelte und fauchte das Ding endlich los.
    Da der Mann Claudia vom ersten Moment an sympathisch war, nahm sie all ihren Mut zusammen und fragte: „Hätten Sie vielleicht kurz Zeit für mich, Herr Wallin? Ich hab da ein paar Fragen. Ich möchte Sie aber nicht aufhalten.“
    „Das tun Sie auch nicht“, sagte er mit umwerfender Selbstverständlichkeit. „Ich muss eh noch warten, bis mein Kaffee durch ist. Der Apparat hier braucht immer ewig. Dann schießen Sie mal los. Worum geht’s?“
    „Ich weiß, Sie dürfen nicht mit mir hinter Renés Rücken darüber sprechen, aber ich möchte gern drei Dinge wissen. Erstens: Würde ich als Lebendspenderin in Betracht kommen, wenn bei mir alles in Ordnung ist und wenn Renés und mein Gewebetyp zusammenpasst?“
    „So weit sind wir noch lange nicht, Frau Sommerfeldt. Das ist Ihnen doch klar, oder?“
    „Ich weiß. Aber ich würde es gern wissen.“
    „Also gut. Das mit der Lebendspende wäre durchaus möglich, und es wäre auch wünschenswert. Aber nur, wenn Sie es mit Ihrem Selbstbild, Ihren Lebensumständen und der Beziehung zu Ihrem Mann vereinbaren können.“
    „Und ob ich das kann! Wir lieben uns wie verrückt und würden alles füreinander tun. Ja gut, René regt sich immer auf, wenn ich sage, dass ich ihm eine Leberhälfte abgeben will. Er hat so einen blöden Ehrenkodex: Er will nicht, dass man mich aufschneidet und ausplündert, weil er meint, dass ich hinterher nicht mehr heil und gesund bin, sondern versehrt und krank. Dabei ist das Quatsch.“
    „Sie sollten die Sache nicht auf die leichte Schulter nehmen. Es gibt für den Spender tatsächlich einige Gefahren, und die sind nicht zu unterschätzen.“
    „Aber wenn Sie René bitte klarmachen könnten, dass die Transplantation trotzdem die beste Lösung wäre, denkt er vielleicht anders darüber. Sie meinen doch auch, dass sie angebracht wäre, irgendwann einmal, oder?“
    „Ja, sie wäre nicht das Ende, sondern eine Chance für Ihren Mann, und zwar eine sehr gute.“
    „Das bringt mich gleich zu meiner zweiten Frage: Wie sieht es mit der Überlebensrate aus?“
    Nils Wallin ließ sich mit der Antwort Zeit, denn er war vollauf damit beschäftigt, den herauströpfelnden Kaffee in einem Plastikbecher aufzufangen. Erst als der voll war und die Maschine das Röhren und Röcheln aufgab, drehte er wieder um und sah Claudia in die Augen.
    „Warum fragen Sie mich das, wenn Sie die Antwort schon kennen?“, fragte er.
    „Gute Frage“, sagte sie und platzte auch gleich mit der Antwort heraus: „Weil ich es noch mal aus Ihrem Mund hören möchte. Sie sind Renés Arzt, und ich bin nur die Frau, die ständig im Internet unterwegs ist und sich über PSC schlaumacht. Ich hab schon fünf Aktenordner mit Infomaterial angelegt. René kümmert sich ja nicht darum. Was seine Krankheit angeht, ist er noch auf dem Stand von Sauerbruch und Co, und die Berichte im Netz hält er nur für reißerisch. Bei deren Lektüre würde er sich am liebsten aus dem Fenster stürzen, sagte er immer. Deshalb lässt er es von vornherein bleiben. Es reicht ihm, wenn Sie den Durchblick haben.“
    „Donnerwetter, das nenn ich mal eine ehrliche und ausführliche Antwort.“
    „Ja, und ich wünschte, ich könnte Ihnen eine andere geben. Was ist denn nun mit der Langzeitprognose?“
    „Also gut. Die Überlebenswahrscheinlichkeit beträgt 65 Prozent nach zehn Jahren. Nach der LTX sind es 90 Prozent nach einem Jahr und 80 nach drei Jahren. Das ist natürlich alles relativ.“
    „Also nicht so doll.“
    „ Wie bitte? Ich hör wohl nicht richtig! Das ist eine Topprate.“
    „Und eigentlich geht es gar nicht um die Rate, stimmt’s? Jedenfalls nicht nur.“
    Nils Wallin sah Claudia mit bedeutungsvoller Miene an.
    „Oberstes Ziel wäre es, die Beschwerden Ihres Mannes zu lindern“, sagte er. „Das

Weitere Kostenlose Bücher