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Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Titel: Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Steen
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Dienstreise noch dazwischenquetschen, aber ich hab mich geirrt. Die Ärzte haben ihn wohl nicht richtig festgemacht letztes Mal. Das hat sich schon die ganze Zeit so schräg angefühlt.“
    „Und wie kommt das Ding in deinen … Halt! Stopp! Was sagst du da? Letztes Mal? Wie oft bist du denn schon operiert worden?“
    „Fünfmal.“
    „Lauter. Ich versteh dich nicht.“
    „Fünfmal.“
    „Wann zuletzt?“
    „Vor einer Woche.“
    „Bitte?“
    „Vor einer Woche.“
    „Wie lange bist du schon krank?“
    „Keine Ahnung. Ein paar Jahre.“
    „Und wo liegen die Ursachen dafür?“
    „Das weiß niemand.“
    Claudia strich sich über die Stirn und schloss die Augen. Ihre Nerven waren so überreizt, dass sie dringend eine Auszeit brauchte. Doch die Sache ließ ihr keine Ruhe, deshalb schlug sie die Lider wieder hoch und sagte mit verschärfter Stimmlage: „Wir haben uns letzte Woche jeden Tag ein Foto geschickt, und einmal sogar ein Video. Du hast in der Klinik gelegen, mir deinen nackten Oberkörper gezeigt und mich glauben lassen, dass alles in Ordnung sei. Wie krank ist das denn!?“
    „Es tut mir so leid, Claudi.“
    „Du hast mich belogen.“
    „Ja. Weil ich dich beschützen wollte, und weil ich gefährlich für dich bin.“
    „Ach, und dann gilt die Wahrheit nichts?“
    „Du bist ohne mich besser dran.“
    „Da hast du verdammt noch mal recht. Ich geh jetzt runter an die Bar und spül den ganzen Kram weg. Das ist ja nicht mehr zum Aushalten.“
    „Jetzt wart halt, Claudi, bitte. Lass uns darüber reden.“
    „Ich hab aber keine Lust mehr, mir deine Lügen noch länger mit anzuhören. Du kannst ja deine Frau anrufen und dich bei ihr ausheulen.“
    Er schluckte vernehmlich. Dann holte er tief Luft und sagte: „Da wir gerade bei der Wahrheit sind, kann ich es ebenso gut gleich sagen: Tanja ist nicht meine Frau.“
    „Was?“
    „Sie ist nicht meine Frau. Ich erkär’s dir gleich. Aber erst mal muss ich dir was sagen.“
    „Was denn noch???“
    „Es kann sein, dass ich nicht mehr lange leben werde. Mein Internist behauptet zwar was anderes, aber ich hab das unbestimmte Gefühl, dass er sich irrt. Wäre nicht der erste Arzt, der sich irrt. Auf jeden Fall werde ich in den nächsten Jahren oft im Krankenhaus liegen, und über kurz oder lang werde ich auch eine neue Leber brauchen. Deshalb hab ich dich die ganze Zeit auf Abstand gehalten.“
    „Weshalb?“
    „Weil ich mir sicher bin, dass du mir ein Stück von deiner abgeben willst, wenn’s so weit ist. Das würde ich aber niemals zulassen. Und was Tanja betrifft … Also, um es kurz zu machen: Sie ist meine Schwester und heißt Sellhuber mit Nachnamen.“
    „Warum sagst du so was? Ich wünschte, das wäre witzig.“
    „Weil es so ist. Tanja ist meine Zwillingsschwester, und ich bin vor drei Jahren zu ihr gezogen, weil …“
    „ Was?“, rief sie und bedachte ihn mit einem zornflammendem Blick. „ Läuft da irgendwas zwischen euch, irgendwas Krankes, Abartiges?“
    René schnappte überrascht und empört nach Luft. Dann sagte er: „Ich muss doch sehr bitten, Claudi! Wie kannst du so was denken? Tanja ist meine Schwester, und ich bin zu ihr gezogen, weil doch ihr Mann gestorben ist, der Anton, und weil ich ihr mit den Kindern helfen wollte, und weil meine Eltern bei ihr in der Nähe im Heim leben.“
    „Was???“
    „Franzl und Moritz sind nicht meine Söhne, sondern meine Neffen.“
    „Moment mal, nicht so schnell. Ich will das ja verstehen, aber das ergibt alles keinen Sinn.“
    „Mensch Claudi, ist das so schwer zu begreifen? Ich hab dich belogen, weil ich Angst hatte, dass du irgendwann einen fürchterlichen Fehler machst. Das würde ich nämlich nie zulassen. Man darf die Menschen, die einen lieben und die einem alles geben würden, nicht als Ersatzteillager missbrauchen. Das will ich damit sagen.“
    Was faselte er da von Lebern und Ärzten und Fehlern und Ersatzteillagern? Diese Dinge waren Claudia doch scheißegal. Aber das andere …
    Dieser Feigling! Er hatte immer so getan, als könne er seine Familie nicht verlassen, und nun stellte sich das Ganze als absurdes Theater heraus. Was hatte er sich nur dabei gedacht?
    Und warum hatte sie sich das so lange bieten lassen? Sie hatte doch von Anfang an gewusst, dass da was faul war. Und nicht nur sie. Auch den anderen war es aufgefallen. Frank hatte sie darauf hingewiesen. Maike und Harald hatten sie darauf hingewiesen. Ihr gesunder Menschenverstand hatte sie darauf hingewiesen. Aber sie

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