Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte
hatte es trotzdem nicht wahrhaben wollen. Wenn man jemanden so sehr liebte wie sie René, dann war schon eine tonnenschwere Planierwalze nötig, um die Hoffnung auf ein Happy End niederzubügeln.
Nun, das war ihm ja auch gelungen, letzten Endes.
„Ich hätte dich nicht anlügen dürfen, Claudi, das seh ich jetzt ein, und vor allem hätte ich das mit Tanja lassen sollen. Aber denk mal darüber nach, ob die Wahrheit wirklich eine Alternative gewesen wäre, für dich und für uns.“
„Was soll das heißen? Red gefälligst Klartext mit mir!“
„Das will ich ja, aber ich kann nicht auf Kommando auspacken. Also, wie gesagt: Ich hatte Angst, dass du mir eines Tages ein Segment deiner Leber spenden willst. Und das würdest du wollen, ich kenn dich doch. Du bist so liebenswert, so hilfsbereit, so konsequent … Ich hab von der ersten Sekunde an gespürt, dass du etwas Besonderes bist und dass du mich nur ganz oder gar nicht lieben kannst. Ich werde aber nicht zulassen, dass du etwas tust, das dir schadet. Deshalb hab ich dich belogen.“
Sie verstand immer noch nichts. Wie bitte? Wovon redete der Kerl da? Egal. Er hatte sie nach Strich und Faden verarscht, und zwar über zwei Jahre lang. Nur das zählte. Ihre Beziehung war vom ersten Tag an ein Flop gewesen. Obwohl … Wenn man es genau betrachtete, hielt sich der Schaden in Grenzen. Wenn man alle Tage, die sie miteinander verbracht hatten, zusammenzählte, waren sie rein rechnerisch noch im Honeymoon.
Honeymoon? Pah! Nichts war Claudia im Moment ferner. Hass und Verbitterung machten sich in ihr breit, und diese Gefühle musste sie ihm ins Gesicht spucken, ob sie wollte oder nicht.
„Du bist ein Scheißkerl“, sagte sie, nahm ihr Kropfband ab und warf es ihm an die Stirn. „Hier, das Ding kannst du behalten. Es hat mich sowieso die ganze Zeit gewürgt. Ich besorg mir jetzt an der Rezeption ein eigenes Zimmer, und von da aus geh ich direkt in die Bar, um mich volllaufen zu lassen. Komm mir bloß nicht mehr zu nah, hörst du? Halt dich fern von mir.“
Sie stand auf und wollte den Raum verlassen. Auf dem Weg zur Tür fiel ihr ein, dass sie seinen Was-auch-immer-Schlauch noch in der Hand hielt. Sie sah ihn ein letztes Mal an und spürte einen jähen Schmerz, der ihr wie ein Stich ins Herz fuhr. Dann warf sie ihn über die Schulter zurück, legte ihre Hand auf die Türklinke und sagte: „Das war’s dann mit uns.“
„Claudi, bitte!“, rief René mit einem wilden Unterton in der Stimme. „Es tut mir so leid. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, ich würd’s tun, glaub mir. Claudi …! “
„Fahr zur Hölle!“, sagte sie nur, öffnete die Tür und schlug sie gleich danach krachend hinter sich ins Schloss.
Kapitel 6: Vor knapp sieben Jahren
Hin und wieder holte Claudia den provisorischen Alufolienring heraus, mit dem René ihr damals in Sedona einen Heiratsantrag gemacht hatte, und steckte ihn sich auf. Dann lächelte sie vor sich hin und konnte ihr Glück kaum fassen. Ihre Hand sah so anders damit aus, und tausendmal schöner.
Im Juli hatten René und sie geheiratet. Die Zeremonie fand auf einem Gipfel im Mangfallgebirge statt und war so romantisch gewesen, dass ihr heute noch eine Gänsehaut über den Rücken lief, wenn sie daran dachte. René war ganz zünftig mit Lederhose, gamsbartgeschmücktem Hut, Haferlschuh’ und Loferl in der kleinen Kapelle erschienen, und sie selbst trug ihr Kropfband und das nachtblaue Dirndl mit dem sensationellen Ausschnitt und der weißen Schürze.
Sie hieß jetzt Sommerfeldt, und der Wohlklang dieses Namens entzückte sie jeden Tag aufs Neue. Sie musste dabei immer an frühsommerliche Blumenwiesen denken, an grasgrüne Hügel und nicht enden wollenden Sonnenschein, durch den Schmetterlinge und Insekten flirrten und der durch Vogelgezwitscher akustisch untermalt wurde … Er klang so heiter und beschwingt, so licht und voller Versprechungen, dass sie ihn fast riechen und schmecken konnte.
Es gab noch mehr umwälzende Veränderungen in ihrem Leben. Seit einem halben Jahr trank sie keinen einzigen Tropfen Alkohol mehr, joggte dreimal in der Woche, um sich für den Tag X fit zu machen, und tönte sich nicht mehr die Haare, weil sie wusste, dass die Chemikalien nicht gut für die Leber waren.
Im August waren René und sie an seine frühere Wirkungsstätte zurückgekehrt: an den Ort, in dem er studiert und als Postdoc gearbeitet hatte. Claudia verliebte sich sofort in die mitteldeutsche Stadt und ihr hügeliges
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