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Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Titel: Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Steen
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erleben müssen“, sagte Tanja zu Claudi. „Da hat er sich auch nie was sagen lassen. Was er sich in den Kopf gesetzt hatte, wurde durchgezogen, bis zum Erbrechen. Ich weiß noch, wie er sein Mountainbike auf einen Berggipfel geschleppt hat und dann den Abhang runtergebrettert ist, über Stock und Stein und Felsen und Geröll, zehnmal, zwanzigmal, dreißigmal hintereinander. Er ist ans Limit gegangen, eine ganze Woche lang, und jedes Mal, aber auch wirklich jedes Mal hat er sich hingepackt, voll auf die Schnauze. Bis er irgendwann von allein damit aufgehört hat.“
    „Ja, du hast mich machen lassen, und das rechne ich dir hoch an“, sagte René. „Ich wusste genau, dass ich mich nicht auf dem Rad halten konnte, aber ich konnte es ums Verrecken nicht zugeben. Ich wollte es schaffen, unbedingt. Nein wirklich, Tanja, du warst und bist eine tolle Schwester, und du machst mir auch nicht so viele Vorschriften wie Claudi.“
    „Ja, ich hab immer jede Menge Vorwürfe im Gepäck, und mit denen nerve ich dich von früh bis spät “, sagte die Gescholtene.
    „Genau.“
    „Nun mach schon, René!“, riefen die Buben. „Auf die Fritten, fertig, los!“
    Da nahm er den ersten mayonnaisegetränkten Pommesschnitz zur Hand und schob ihn sich mit halb geschlossenen Augen in den Mund. Mann, war das köstlich! Als sich die Kartoffelpampe in der Mundhöhle verteilte, schienen seine Geschmacksknospen förmlich dahinzuschmelzen. Er konnte gar nicht anders: Er musste beim Kauen genüsslich vor sich hin winselte, bis er die Masse schließlich herunterschluckte und spürte, wie sie sich ihren Weg durch die Speiseröhre Richtung Magen bahnte. Auch das war ein Spitzengefühl und kam in letzter Zeit leider viel zu selten vor.
    „Was ist das für eine blöde Idee mit deiner Löffelliste?“, fragte Tanja.
    „Ich will endlich mal was Richtiges erleben“, sagte er, tunkte den nächsten Schnitz in Ketchup und steckte ihn sich in den Mund. Er quietschte an den Zähnen und entfaltete ein unvergleichliches Aroma.
    „Was Extremes, nehme ich an“, sagte Tanja.
    „Er hat entdeckt, dass Grenzüberschreitungen ihm Spaß machen“, sagte Claudi. „Seine neueste Grille ist, dass er an einem Ballon baumelnd durch die Luft segeln will.“
    „Und was kommt danach?“, fragte Tanja. „S-Bahn-Surfen? Drachenfliegen? Paintball? Okkulte Sitzungen? Eine Limousine mit fünf brünetten Stripperinnen drin?“
    Nachdem René auch den zweiten Pommesschnitz zermalmt und runtergeschluckt hatte, breitete sich eine wohlige Wärme in seiner Magengegend aus. Er sah die restliche Portion an und spürte, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Das war nicht einfach nur Pommes rot-weiß. Das war Fast Food deluxe, und sie machte ihn satt und zufrieden.
    Dann konnte er sich nicht mehr beherrschen und haute zur Freude von Franzl und Moritz richtig rein. Tanja verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn aus schmalen Augen an. Claudi wurde allmählich unruhig. Aber das schmälerte seinen Genuss nicht. Obwohl … Ein bisschen übel wurde ihm jetzt schon. Eigentlich war es mehr eine Vorahnung als ein Unwohlsein. Das lag vermutlich an dem Aroma des Frittierfetts, das seine Nase umwaberte und für einen zusätzlichen Säureausstoß in seinem Magen sorgte.
    „Schling nicht so“, sagte Claudi.
    „Ja, Big Mama“, sagte er.
    „Lass ihn ruhig ’ne Gallenkolik bekommen“, sagte Tanja. „Schadet ihm gar nichts.“
    Das war der Moment, an dem René tatsächlich den ersten zwickenden Schmerz im rechten Oberbauch verspürte.
    „Ihr könnt euch die Kommentare sparen“, sagte er. „Meine Gallenkoliken sind meine Angelegenheit.“
    „Und wer fährt dich nachher zum Arzt?“, fragte Claudi. „Ja wohl ich.“
    Während er die restlichen Pommes verschlang, verstärkten sich die Beschwerden in seinem Oberbauch und wurden zu wehenartigen Krämpfen, die auch in die rechte Schulter und den gesamten Körper ausstrahlten. Aber er aß weiter. Er wollte und musste seine Freiheit auskosten, so lange sie währte. Die beiden Jungs sahen ihm fasziniert dabei zu. Bis Tanja irgendwann eine Supermarkttüte aus ihrer Gürteltasche zog und sie demonstrativ entfaltete.
    René wollte sich darüber lustig machen, aber sie brachte ihn mit der Bemerkung „Ach, halt den Mund, du Depp, und iss deine Pommes!“ zum Schweigen. Im nächsten Moment fuhr sie die Jungs an, die schon wieder mit Renés Mobiltelefon herumspielten: „ Himmeherrgodnoamoi, könnt ihr das Ding mal weglegen? Ist das

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