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Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie

Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie

Titel: Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raufeisen
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ihm in einem Café. Die Verabredung klappte sogar, aber es kam dabei leider auch nichts raus. Die Amerikaner sahen sich nicht zuständig, ein deutsches Problem in Ungarn zu klären.
    Nichts klappte. Völlig frustriert schauten wir uns ein paar Tage lang Budapest an. So richtig habe ich aber von der Stadt nichts wahrgenommen, meine Erinnerungen sind sehr verschwommen: Die Donau, die Burg, die Fischerbastei; aber sonst? Ich war damit beschäftigt, meine Pläne von der baldigen Heimkehr zu begraben. Aber immer noch grübelten wir: Was könnten wir, wenn wir einmal hier in Ungarn waren, noch unternehmen? Denn wer weiß, ob wir beobachtet worden waren, ob die Stasi nicht schon längst von unseren Botschaftsbesuchen wusste? Einen Grenzdurchbruch an der österreichisch-ungarischen Grenze zu versuchen, erschien uns als ein zu großes Risiko. Wir besaßen auch keine notwendigen Karten und schon gar keine Ortskenntnisse. Es blieb uns also doch nichts anderes übrig, als wieder in die DDR zurückzufahren und uns etwas Neues zu überlegen.
    Die Rückfahrt gestaltete sich noch etwas abenteuerlich. Wir hatten ja keine tschechischen Kronen mehr und sahen auch keine Möglichkeit, welche zu tauschen. Wir mussten also mit einer Tankfüllung die ganze Tschechoslowakei durchqueren und in der DDR gleich hinter der Grenze eine auch abends offene Tankstelle finden. Davon gab es nicht viele. Wir wussten, in der Nähe von Karl-Marx-Stadt befand sich an der Autobahn eine sogenannte „Intertankstelle“, die lange geöffnet hatte. Fast mit dem letzten Tropfen Benzin erreichten wir sie; beim Tanken stellten wir fest, dass sich gerade noch drei Liter Benzin im Tank befunden hatten. Spät in der Nacht kamen wir in Ost-Berlin an. Erreicht hatten wir gar nichts.
    Von dieser Enttäuschung mussten wir uns erst einmal erholen. Ich reihte mich wieder in den Ausbildungstrott beim VEB AutoTrans ein. Was ich mir denn aus Ungarn mitgebracht hätte, wollten meine Kollegen wissen? Schallplatten? Jeans? Sie hatten keine Ahnung, wie egal mir das alles war.

Der legale Weg
     
    Was blieben uns jetzt noch für Möglichkeiten? Hunderttausende, wenn nicht Millionen Menschen in der DDR dachten wohl über diese Frage nach. Aber wie wenigen gelang dann wirklich die Flucht! Aber dennoch: Uns musste es ja gelingen, wir waren ja von drüben! Dass die DDR-Bürger hier leben mussten, war ihr Schicksal, bei mir aber war es eine schreiende Ungerechtigkeit, ich gehörte ja gar nicht hierher! Solche Gedanken kreisten immer wieder durch meinen Kopf.
    Da uns die Mitarbeiter der Stasi nie über unsere Rechte bezüglich der Einbürgerung und Eingliederung in die DDR aufgeklärt hatten, wandte sich mein Vater im Mai 1980 an das Ministerium des Innern, das für Fragen zur Staatsbürgerschaft der DDR zuständig war. Er hatte zu der Zeit den wohl etwas naiven Glauben, von diesem Ministerium Hilfe zu erhalten, wenn die Stasi sie ihm verwehrt.
    Während dieses Gespräches übergab mein Vater dann einen Ausreiseantrag nach Österreich, den ersten von insgesamt vier Anträgen, die wir stellten.
     
    Berlin, den 19.5.1980
    Betr.: Antrag auf Ausreise in die Republik Österreich
    Begründung:
    Meine Familie ist am 22.01.1979 auf nicht freiwillige Weise von Hannover (BRD), Richard-Lattorf-Str. 35, in die DDR gereist. Hier wurde uns mitgeteilt, dass eine Rückkehr nicht mehr möglich sei, da wegen meiner Tätigkeit in der BRD mit drohender Verhaftung zu rechnen sei.
    Meiner Familie und mir wurde von uns betreuenden Personen in den ersten Tagen und Wochen unseres Aufenthaltes in der DDR versichert, dass die Situation zwar unabänderlich wäre, alle Sorgen jedoch für unsere Zukunft gegenstandslos seien. Es wurde uns ausdrücklich versichert, dass die Lebenshaltung bzw. der bisherige Lebensstandard für uns unverändert erhalten bleibt. Im Familieneinkommen wurde uns ein finanzieller Ausgleich zum Einkommen in einer für uns nicht bezweifelbaren Weise zugesichert. Für unsere Kinder sollte in der schulischen bzw. beruflichen Ausbildung jede Unterstützung zu Erreichung ihrer Berufsziele geleistet werden.
    Alle diese Zusicherungen wurden uns vor Vorlage der Anträge zur Erlangung der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik gegeben. Am Tage der Unterschriftsleistung erfolgten keine Aufklärungen oder Belehrungen über die Konsequenzen dieses Schrittes… In den nächsten Tagen und Wochen konnten wir nur mit Mühe drei Selbstmordversuche unseres Sohns Michael verhindern. …

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