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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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hoffe ich, zufrieden, wenn ich sage, daß ich Eure Frage zwar nicht beantworten kann, aber vollkommen verstehe, warum Ihr fragt.«
    Und weil ich meinerseits sehr gut verstand, lächelte ich ebenso zurück, war mir doch nun ein Zweifel genommen, der mich so lange geplagt hatte, nämlich ob ich zu Seiner Majestät beim Wiedersehen über meinen Umgang mit der Herzogin offen reden dürfte oder nicht. Wenn aber der König, wie Lugoli es mir soeben zu verstehen gab, über mein Verhältnis mit Catherine Bescheid wußte, war ich selbstverständlich an meinen Schwur ihr gegenüber, wenigstens was das anging, nicht mehr gebunden.
    Ich kam nun auf den springenden Punkt und sagte Lugoli, wie sehr mich diese geschlossene Verhandlung störte, zu welcher Herr von O und Herr von Cheverny den Gerichtshof so gut wie gezwungen hatten, indem sie sich auf eine sehr einseitige Auslegung eines königlichen Schreibens beriefen.
    »Könnt Ihr denn Herrn von Cheverny nicht sagen, daß Ihr vom König beauftragt seid, die Verhandlung zu verfolgen?« fragte Lugoli.
    »Das könnte ich«, sagte ich, »wenn ich seiner Einstellung so sicher wäre wie der Euren. Aber Ihr wißt ja, der Jesuitenprozeß spaltet Frankreich in zwei Lager, und da ich ziemlich überzeugt bin, daß Herr von Cheverny nicht zur selben Partei gehört wie ich, möchte ich mich ihm lieber nicht entdecken, zumal der König in dieser Sache neutral bleibt.«
    »Neutral?«
    »Dem Anschein nach. Schließlich geht es um nichts weniger als um sein Leben.«
    »Leider ja«, sagte Lugoli in plötzlich sehr besorgtem Ton. »Seit ich Barrière in Melun verhaftet habe, bin ich dessen völligsicher, denn der Schurke hat mir zwar genug erzählt, um den Jesuiten Varade außer Landes jagen zu können, nicht aber auch jenen zweiten Jesuiten, der den Königsmörder ungeheuerlicherweise zur Disputation empfing, um seinem Mordplan die Grundlage zu liefern. Und obwohl ebenso schuldig wie Varade, lebt dieser frei und ledig, womöglich in Paris, vielleicht sogar am Collège de Clermont, und ist zur Stunde beschäftigt, eine neue Marionette zu schnitzen, die er im gegebenen Augenblick in Bewegung setzt und die bei der Festnahme nicht einmal seinen Namen preisgibt. Ha, Siorac!« fuhr er fort, »ich rase! Tausendmal lieber hätte ich es mit tausend Verbrechern zu tun als mit Fanatikern, die im Namen Gottes morden! Denn mit denen wird es nie ein Ende nehmen, solange die Sekte, die sie anstiftet, das Reich nicht verlassen hat!«
    »Lugoli«, sagte ich, »glaubt Ihr, daß das Hohe Gericht sie dazu verurteilen wird?«
    »Das Hohe Gericht, ha!« sagte Lugoli. »Wie Ihr wißt, ging nach den Barrikaden ein Teil nach Tours zu Heinrich III. Ein anderer Teil blieb in Paris und beugte sich der Liga, und unter diesen, auch wenn sie jetzt dem König anhängen, haben die Jesuiten zahlreiche Freunde, ob erklärte oder nicht. Was sage ich? Es gibt deren auch in der anderen Hälfte.«
    »Der in Tours.«
    »Ja, ja! Und es sind nicht die Geringsten. Ich brauche nur an den Kronanwalt Séguier denken. Und an den Generalprokurator La Guesle!«
    »La Guesle!« rief ich ungläubig. »La Guesle, der in aller Unschuld diesen Jacques Clément nach Saint-Cloud gebracht und an jenem Unheilstag bei Heinrich III. eingeführt hat! Kann er denn ein zweites Mal so blind sein!«
    »Daß die Jesuiten so viele Verteidiger haben«, sagte lächelnd Lugoli, »ist doch kein Wunder! Sie strotzen von Talenten, Tugenden, Tapferkeit, Glauben und Entsagung, kurzum, sie wären vollkommen bewundernswert, wären sie nicht gleichzeitig Agenten des Königs von Spanien. Aber, Siorac«, fuhr er fort (und ich bemerkte, daß er es genoß, mich einfach bei meinem Namen zu nennen, so als beglückwünsche er sich, mich nicht Monsieur anreden zu müssen), »da fällt mir etwas ein: Wenn Ihr den Verhandlungen nicht in Eurer wahren Gestalt beiwohnen könnt, müßt Ihr eben verborgen daran teilnehmen.«
    »Nämlich?«
    »In einer Verkleidung. Als Sergeant der Stadtvogtei.«
    »Sankt Antons Bauch! Und wenn man mich erkennt?«
    »Drückt den Hut tief aufs Auge, und ich wette, Ihr geht durch! Wer dieser von der eigenen Bedeutsamkeit geschwollenen Mitglieder des Gerichtshofs käme darauf, einen kleinen Sergeanten zu beachten? Zumal ich dann an dreißig um mich haben werde, um die hohen Herren abzuweisen und hinauszubefördern, die versuchen werden, sich in den Bereich der Justiz einzuschleichen, um den Plädoyers zu lauschen.«
    »Beim Ochsenhorn!« rief ich lachend.

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