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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Lugoli?«
    »Lugoli, mein lieber Pierre, ist für Henri Quatre, was Tristan l’Hermite für Ludwig XI. gewesen ist. Es gibt kein Gesetz, das Lugoli nicht umgehen, keine geschlossene Verhandlung, in die er sich nicht einschleichen wird, wenn es nur dem König nützt. Und vielleicht«, setzte L’Etoile mit feinem Lächeln hinzu, »laßt Ihr ihn ja mehr als mich darüber wissen, welches lebhafte und spezielle Interesse Ihr an der Gesellschaft Jesu habt.«
    Sowie L’Etoile gegangen war, schrieb ich an Lugoli die folgenden Worte, die Miroul über meine Schulter hinweg las:
     
    Sehr geehrter Herr Leutnant der Stadtvogtei,
    da ich Euch Seiner Majestät sehr ergeben weiß, würde ich Euch gern, ganz im Vertrauen, in einer ihr dienlichen Angelegenheit sprechen.
    Euer sehr guter Freund
    Marquis de Siorac
     
    »Moussu«, sagte lachend Monsieur de La Surie, »dieses ›Euer sehr guter Freund‹ ist geradezu königlich in seiner Leutseligkeit!«
    »Sehen wir«, sagte ich, »welche Wirkung es hat.«
    Nun, diese Wirkung ließ sich so schnell nicht erkennen, weil Luc zwei volle Stunden für einen Botengang ausblieb, der zwanzig Minuten erfordert hätte. Weshalb Miroul ihm bei seiner Rückkehr mit einer Hand die Antwort abnahm, um sie mir zu übergeben, mit der anderen den Schlingel beim Ohr faßte und ihm zornig verkündigte, daß seine Bummelei ihm zwanzig Stockschläge einbringe. Darauf führte er ihn in den vorderen Hof und übergab ihn Pissebœuf, unserem weltlichen Arm, der dem Delinquenten stracks die Hosen herunterzog, ihn übers Knie legte und mit der Exekution begann, nicht ohne daß ich zum Fenster stürzte.
    »Aber nur, bis er rot wird, Pissebœuf!« rief ich auf okzitanisch, »ich will kein Blut sehen!«
    Worauf ich das Fenster schloß und die Antwort von Pierre de Lugoli las:
     
    Gnädiger Herr Marquis,
    da ich den Einwohnern dieser Stadt zu bekannt bin, um Euch aufzusuchen, ohne Ohren und Zungen Eurer Nachbarschaft in Bewegung zu setzen, wäre es das beste, sofern es Euch rechtist, wenn Ihr mich gegen neun Uhr abends in meinem Privathaus, Rue Tirecharpe, besuchen kämt. Ihr erkennt mein Haus am Klopfer, welcher einen kleinen Teufel darstellt. Beliebt, zweimal zu klopfen.
    In dieser Erwartung bin ich, Herr Marquis, Euer unterwürfiger und ergebener Diener.
    Pierre de Lugoli
     
    In dem Moment drang vom Hof lautes Geschrei zu mir herauf, ich öffnete das Fenster.
    »Nicht so scharf, Pissebœuf!« rief ich auf okzitanisch, damit Luc es nicht verstand.
    »Moussu lou Marquis«, rief Pissebœuf, »ich streichle ihn doch nur!«
    Worauf all meine Leute, die okzitanisch verstanden, in Gelächter ausbrachen, nämlich mein anderer Gascogner Poussevent, der Kutscher Lachaise, der Koch Caboche und der Perigordiner Faujanet, der aus seinem Garten herbeigehumpelt kam, sich an dem Schauspiel zu erlaben.
    »Pierre«, sagte Miroul, indem er mir die Hand auf die Schulter legte, »ich bitte dich, die Züchtigung nicht abzukürzen, wie du sonst immer tust. Die zwei Taugenichtse sind ganz unleidlich geworden, seit du sie für kleine Botengänge mit einem Ecu belohnt hast.«
    »Ich verspreche es, mein Miroul«, sagte ich widerwillig, »aber unter der Bedingung, daß du Luc nach der Strafe von Greta salben und verbinden läßt.«
    »Moussu, das sähe Franz nicht gern, der Junge ist sehr hübsch.«
    »Dann von Mariette?«
    »Moussu, das würde Caboche mißfallen.«
    »Vielleicht von Héloïse?«
    »Das würde Eure Gascogner aufbringen.«
    »Also dann von Guillemette?« fragte ich verschmitzt.
    »Moussu, da wäre ich eifersüchtig«, sagte lachend Miroul. »Dann nimm, wen du willst.«
    »Also Lisette«, sagte Miroul. »Monsieur de l’Etoile kann es nicht heiß machen, weil er’s nicht weiß.«
    Die Behandlung fand auf dem Gestell statt, auf dem Lisette die Wäsche zu bügeln pflegte, und natürlich ging ich nachsehen, ob Pissebœuf mit seinem »Streicheln« nicht doch bis aufs Blutgekommen war, in welchem Fall die Wunden nicht hätten mit Salbe bestrichen, sondern mit Weingeist betupft werden müssen. Nun, ich fand meinen Luc bäuchlings auf dem Brett liegen, mit runtergelassenen Hosen, aber gar nicht verquollenem Gesicht.
    »Lisette«, sagte er soeben, als Miroul und ich eintraten, »ich ließe mich jeden Tag prügeln, den Gott werden läßt, wenn du mit deinen sanften Händen mich danach balsamieren würdest.«
    »Hört Euch den Grünschnabel an!« sagte Lisette, indem sie uns scheinheilig zu Zeugen rief, »kaum aus dem Ei gekrochen

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