Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
und noch Eierschalen am Hintern, möchte er schon vögeln!«
    »Was für ein Jammer«, sagte Luc, »wenn die Henne lauter kräht als der Hahn!«
    »Ruhe, Luc!« sagte Miroul. »Willst du noch eine Tracht? Du weißt doch, daß es dir verboten ist, bei den Kammerfrauen Süßholz zu raspeln.«
    »Ach nein, Herr Junker!« sagte die mitleidige Lisette, »nicht noch einmal Prügel für den Ärmsten. Er ist wund genug. Seht Ihr, schon fast bis aufs Blut. Und wenn seine Backen«, fuhr sie fort, indem sie andächtig darüber strich, »auch rund und straff und muskulös sind, hat er doch eine Haut wie ein kleines Mädchen.«
    »Das reicht«, sagte Miroul, ganz wie einst Sauveterre. »Li sette , du hast ihn genug gesalbt. Luc, zieh deine Hosen hoch und verschwinde.«
    Hätte ich nach dem Essen nicht meine kleine Herzogin besucht, wäre die Zeit auf bleiernen Füßen geschlichen, bis es neun Uhr abends war, so ungeduldig erwartete ich die Begegnung mit Lugoli – den ich nur vom Sehen und vom Hörensagen kannte – und seinen Entscheid, ob er mir wohl Zutritt zu der verwünschten geschlossenen Verhandlung verschaffen könnte. Doch ist es nicht seltsam, wie kurz die scheinbar so langsame Zeit auf einmal wird, wenn sie kurz vorm Ablaufen ist? So geht es wohl, denke ich, mit unserem Leben, wenn wir dem Tod ins Auge sehen.
    Lugolis leibliche Erscheinung enttäuschte mich nicht, mittelgroß und doch stattlich, Züge wie auf einer römischen Medaille, dunkel an Haut und Haaren, darin aber klare und scharfe blaue Augen, ein lebhafter Mann in Wort und Bewegung, ganz soldatisch in seiner Rede, ohne Umscheife und Getue, und der offene Blick zugleich schlau und weise.
    Kurzum, wir erkannten einander auf den ersten Blick. Undals Lugoli sah, daß ich keine Absicht hatte, den Marquis hervorzukehren, schmolz seine anfängliche Zurückhaltung wie Schnee an der Sonne, und ich war herzlich froh, daß ein Mann von so gutem Metall so nahe und tagtäglich über das Leben meines Königs wachte.
    »Ha, Monsieur!« sagte er, nachdem ich ihn gebeten hatte, den Marquis beiseite zu lassen und mich Siorac zu nennen, »wie freut es mich, Euch endlich kennenzulernen, habe ich doch soviel gehört und noch mehr erraten, welche guten Dienste Ihr in mancherlei Verkleidungen dem Thron erwiesen habt.«
    »Was?« sagte ich lachend, »von meinen Verkleidungen habt Ihr auch gehört?«
    »Und ob!« sagte er, »ich kann nicht genau verraten, durch wen, aber Ihr müßt wissen, daß ich zur Zeit der Belagerung einen Lauscher im Hause einer der Lothringer Prinzessinnen hatte, und es hätte mich sehr gewundert, daß ein Tuchhändler unsere Linien sollte durchbrochen und sich erkühnt haben, die Dame mit Proviant zu versorgen, hätte Seine Majestät mir nicht gesteckt, daß dies sein Mann wäre. Was mich beruhigte, doch da mein Spion die Prinzessinnen auch noch im Auge behielt, als der König in Paris einzog und sie in Eurer Begleitung besuchte, erfuhr ich, wer sich hinter jenem Vollbart verbarg. Das flößte mir für Euch, Monsieur, höchste Achtung ein, denn es hätten sich nicht viele Edelleute zu so erniedrigender Händlerexistenz bereit gefunden, um dem König zu dienen.«
    »Die ich aber nicht als solche empfand«, sagte ich lächelnd. »Sie hat mir, im Gegenteil, allerhand Spaß gemacht. Ich hätte, glaube ich, als Komödiant geboren werden sollen, so sehr gefällt es mir, mich zu verkleiden.«
    »Noch ein Zug, den wir gemeinsam haben«, sagte Lugoli, »denn sind es in der Vogtei auch vorwiegend Subalterne, welche die Haut wechseln müssen, verschmähe auch ich es gelegentlich nicht, mich für einen anderen auszugeben. Seht Ihr«, sagte er, indem er eine große Truhe öffnete, »da sind eine ganze Anzahl von Kostümen, in die ich schlüpfe, wenn ich Verbrechen auf die Spur kommen will.«
    Wobei er mit raschem Griff mehrere der Kleider aus der Truhe zog, unter denen ich zu meinem Ergötzen auch eine Priestersoutane erkannte.
    »Steht Euch die?« fragte ich lachend.
    »Es geht«, sagte er. »Das viel schwierigere dabei ist, die richtige Miene aufzusetzen. Man macht immer zuviel oder zuwenig.«
    »Monsieur«, sagte ich, »darf ich Euch etwas fragen?«
    »Nur zu«, sagte er lächelnd, »aber vielleicht kann ich wegen meines Amtes nicht darauf antworten.«
    »Das bleibt Eure Entscheidung! Wen belauert Euer Lauscher derzeit, Madame de Montpensier, Madame de Nemours oder Madame de Guise?«
    »Monsieur«, entgegnete Lugoli mit verständnisinnigem Lächeln, »ich stelle Euch,

Weitere Kostenlose Bücher