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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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fuhr er fort, indem er seine lange und feingebildete Hand hob, »stand in einem solchen Ruf der Redlichkeit, Entschlossenheit, Loyalität und diplomatischen Gewandtheit, auch in Frankreich, daß Heinrich III. d’Ossat zum Minister machen wollte, als er 1588 zu Blois die seiner Mutter ergebenen Herren entließ.«
    »Beim Ochsenhorn! Das wußte ich nicht!« sagte ich.
    »Die Kirche weiß alles«, sagte ernst Fogacer.
    »Was für ein unglaublicher Aufstieg für einen kleinen Abbé!« sagte La Surie.
    »Den er gleichwohl ablehnte«, sagte Fogacer mit seinem langsamen, hintersinnigen Lächeln. »Wenn Ihr, mein lieber Miroul, die Wahl hättet, Minister oder Kardinal zu werden, wofür würdet Ihr Euch entscheiden?«
    »Minister kommen und gehen, Kardinäle bleiben«, sagte La Surie. »Ich nähme den Hut.«
    »Gut gedacht. Außerdem, vergeßt bitte nicht, daß Heinrich III. mit seiner strikt antiligistischen und antispanischen Haltung in Rom verrufen war. Obendrein war er schwul. Zwar ist Schwulsein der Kirche nicht fremd, nur darf es keinen Skandal machen. Und schließlich wußte der stets gut informierte d’Ossat natürlich, daß der Kampf zwischen Guise und dem König 1 in Blois einen Punkt erreicht hatte, an dem der eine den anderen nur noch beseitigen konnte. Und was wäre nach dem Tod des Königs aus seinem Minister geworden? Und andererseits, was wäre nach dem Mord an Guise und seinem Bruder, dem Kardinal (für Seine Heiligkeit ein unerhörtes Verbrechen), aus dem Minister eines exkommunizierten Königs geworden? Also lehnte mein d’Ossat die Ehren in diesem zweifelhaften Kampf ab, blieb wohlweislich in Rom und wärmte sich an der Sonne der Christenheit.«
    »Was für seine Vorsicht und Klugheit spricht«, sagte ich.
    »Aber nun«, sagte Fogacer, indem er die schlanke Hand abwehrend hob, »was für seinen klaren Blick und seinen Mut spricht: Als Jacques Clément Heinrich III. ermordete und dieser auf seinem Totenbett Heinrich von Navarra als seinen Nachfolger anerkannte, trat Kardinal von Joyeuse, unser Bischof-Protektorzu Rom, ins ligistische Lager über, und Abbé d’Ossat, der dagegen war, sagte sich von ihm los.«
    »Dann ist er Antiligist?« rief ich freudebebend.
    »Und das seit langem. Daß die Liga in Frankreich dem König von Spanien genützt hat, heißt nach seiner Auffassung, daß sie in Wahrheit der katholischen Kirche geschadet hat.«
    »Ich fange an, diesen kleinen Abbé zu lieben«, sagte La Surie. »Was machte er aber, so ohne Stellung in Rom?«
    »Königin Louise erfuhr davon und nahm ihn in ihren Dienst. Wie Ihr wißt, wollte sie«, fuhr Fogacer mit einem kleinen Blitzen in den Augen fort, »daß der Papst für die Ruhe der exkommunizierten Seele ihres seligen Gemahls eine Messe singe.«
    »Sancta simplicitas!«
sagte La Surie.
    »Das ist eine Tautologie!« sagte Fogacer. »Heiligkeit ist immer Einfalt … Wißt ihr, daß d’Ossat, der indes gerieben ist wie Bernstein, König Henri Quatre in einem Brief angeraten hat, die Eroberung seines Reiches voranzutreiben durch ›Enthalt samkeit von der Wollust, welche zeitraubend ist und von den Geschäften ablenkt‹?«
    »Und was machte der König mit diesem unschuldigen Rat?« fragte La Surie.
    »Er erzählte ihn Monseigneur Du Perron, und beide lachten Tränen.«
    Worauf auch wir lachten.
    »Meine Herren«, sagte ich, indem ich aufstand und einen der Leuchter ergriff, »bitte, leert diese Flasche ohne mich: Ich verschwinde.«
    »Ich wette«, sagte mit neckendem Lächeln La Surie, »Euch ›schläfert’s‹.«
    »Nein. Ich will den letzten Rest Kerze nützen, um zu baden. Gute Nacht, meine Herren. Mein Zuber wartet.«
    Worauf ich über die Wendeltreppe hinaufstieg nach meiner Kammer, vor der ich zu meiner Überraschung eine menschliche Gestalt liegen sah. Verwundert, wer sich da so unbequem und bei so ungnädiger Jahreszeit möchte gebettet haben, beugte ich mich nieder, konnte aber nur eine Nase erkennen, so dicht war der Schläfer in seinen Mantel gehüllt. Das flackernde Licht in der Rechten, lüftete ich die Kapuze und entdeckte inmitten schwarzer Locken ein hübsches Gesichtchen, das sich noch verschönte, als die Unbekannte die großen, blanken Augen aufschlug.
    »Mädchen«, sagte ich, verwundert, daß sie bei meinem Auftauchen nicht erschrak, »was machst du hier? Warum liegst du nicht im warmen Bett?«
    »Herr Marquis«, sagte sie, »ich bin …«
    »Wie, du kennst mich?«
    »Gewiß«, sagte sie, »ich bin eine der Pilgerinnen, die Ihr

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