Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
machte dem Großherzog Kummer, sondern daß er auf den Hut verzichten mußte.«
»Aber ist es nicht«, sagte ich, »ein großer Vorteil für den Großherzog von Toskana, daß er aus seiner Kardinalszeit die Wege und Umwege der vatikanischen Politik von Grund auf kennt?«
»So ist es«, sagte Giustiniani, indem er mir einen bedeutungsvollen Blick sandte, »vor allem in der gegenwärtigen Lage.«
Der Kardinal verließ mich im Vorzimmer des Audienzsaals. Der Kämmerer des Papstes, sagte er, werde mich im gegebenen Moment holen kommen. Also faßte ich mich in Geduld und fragte mich, was wohl der arme Onkel Sauveterre denken würde, wenn er mich hier, im Herzen des »modernen Babylon«, auf den Augenblick warten sähe, wo ich mich vor dem »papistischen Götzen« niederwerfen und seinen Pantoffel küssen würde.
Doch konnte ich bei meinen Gedanken nicht verweilen, denn ein gutaussehender junger Herr in schwarzem Samt und spanischer Halskrause betrat das Vorzimmer. Und weil ich mir sagte, dies könne nur Don Luis Delfín de Lorca, der spanische Grande, sein, stand ich auf, lüftete meinen Hut und machte dem Herrn eine tiefe Verbeugung. Er schien zuerst verwundert, daß ein französischer Edelmann ihm solchen Empfang bereitete, und betrachtete mich voll Würde, dann lächelte er, offenbar zufrieden mit dem, was er sah, und entblößte seinerseits das Haupt: eine unendliche Herablassung, denn ein spanischer Grande zieht den Hut nicht einmal vor seinem König. Um ihm nun zu zeigen, wie sehr ich diese Ehre zu schätzen wußte, lächelte ich abermals und verneigte mich. Was er sogleich wieder mit Lächeln und Hutschwenken erwiderte. Und also bestürmtenwir einander eine gute Minute mit Höflichkeiten, bis mir die Mundwinkel vom vielen Lächeln zu schmerzen anfingen und die Hand vom Hutabnehmen und Hutaufsetzen. In stillschweigender Übereinkunft ließen wir unsere Hüte endlich in Ruhe und wechselten zur gesprochenen Sprache über.
»Señor Marqués«, sagte ich auf spanisch, »ich bin entzückt, Euch zu begegnen, und betrachte dies als eine sehr hohe Ehre.«
»Monsieur le Marquis«, sagte er auf französisch, »die Ehre ist ganz meinerseits.«
Hier, Leser, vereinfache ich entschieden unsere Wechselreden, die gemäß der gängigen Mode unserer Länder sehr viel geschwollener abliefen, und verkürze unseren Dialog, der noch bedeutend länger war, wollte doch jeder von uns beweisen, daß ein Franzose nicht minder höflich sei als ein Spanier und ein Spanier nicht minder als ein Franzose. Und da dieser Beweis nach guten fünf Minuten zur beiderseitigen Zufriedenheit geführt schien, kam ich zu jenem Thema, das mir am Herzen lag.
»Señor Marqués«, sagte ich, »während der Pariser Belagerung beherbergte ich in meinem Haus eine Doña Clara Delfín de Lorca. Ist sie mit Euch verwandt?«
»Wie denn? Was denn?« rief Don Luis, die schwarzen Brauen wölbend, und betrachtete mich, als sei es ihm endlich vergönnt, mich nicht nur in meiner körperlichen Hülle, sondern auch in meiner geistigen Essenz zu erblicken, »ist das denn wahr, Marquis?« sagte er mit dem strahlendsten Lächeln, »Ihr seid also der famose Siorac, dessen Loblied Doña Clara von früh bis abends singt? Es gibt nicht eine Zofe, nicht einen Diener in meinem ganzen Hausstand (denn sie lebt bei uns und nimmt sich bewunderswert meiner Kinder an, seit meine Gemahlin krank darniederliegt), die nicht Euren Namen und Eure Verdienste kennte. Denn glaubt man ihr, seid Ihr von allen Edelleuten der Christenheit der beste und tugendreichste Mensch, den man sich denken kann.«
Zuerst dachte ich, er wolle sich über mich mokieren, und verspürte einiges Unbehagen, doch als ich in seinen Samtaugen nicht die leiseste Spur von Spott erkannte, sah ich, daß sein Wort Gold und nicht Kupfer war, und sagte mir, daß die Zeit mich im Geiste Doña Claras wohl veredelt haben müsse wie einen guten Wein. Denn in ihrem Abschiedsbrief hatte sie mirdoch eher gespaltene Hufe verliehen als jene lieblichen Flügel, mit denen sie mich jetzt zierte.
»Señor Marqués«, sagte ich, »es freut mich überaus, daß Doña Clara in solcher Weise von mir spricht, und vollends entzückt bin ich zu hören, daß sie sich hier zu Rom in Eurem Haus befindet. Es tat mir unendlich leid, daß sie von Paris fortging, und wenn sie mich in meiner römischen Bleibe besuchen wollte, wäre ich überglücklich.«
»Ich richte es ihr gern aus«, sagte Don Luis.
Weiter kam er nicht, denn in dem Moment
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