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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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klingelte ein Glöckchen, der schwere purpurne Samtvorhang wurde beiseite geschoben, und der päpstliche Kämmerer erschien.
    »Meine Herren, es ist soweit«, sagte er. »Don Luis Delfín de Lorca stellt sich als erster vor und dann Monsieur de Siorac.«
    Nacheinander traten wir ein, und während ich neben dem Vorhang stehenblieb, fiel Don Luis, nachdem er zwei Schritte gemacht, ins Knie. Doch brauche ich nicht zu schildern, was er tat, denn als ich an die Reihe kam, ahmte ich jede seiner Gesten nach, wie Kardinal Giustiniani mir geraten. Trotzdem war meine Aufmerksamkeit geteilt, denn ich verfolgte nicht nur jede Bewegung von Don Luis, sondern beobachtete gleichzeitig den Papst mit sehr gespannter Neugier.
    Sua Santità
saß auf einer Art Thronsessel und zu seiner Linken, den Hut in der Hand, ein hochmütig blickender Herr, der wohl der spanische Gesandte, der Herzog von Sessa, sein mußte, der Don Luis dem Papst vorstellte. Selbstverständlich hafteten meine Augen mit aller Begier an ihm, wollte ich doch herausfinden, ob Seine Heiligkeit im gegebenen Moment wohl Stärke genug aufbrächte, um dem spanischen Druck zu widerstehen. Und ehrlich gesagt, ich wurde mir darüber nicht einig. Sein Gesicht dünkte mich, wenngleich etwas weich, weder geistlos noch ungütig. Wenn ich es jedoch mit der eindrucksvollen Physiognomie Sixtus’ V. verglich, wie ich sie auf Gemälden gesehen, mit diesen flammenden schwarzen Augen und diesem schweren, machtvollen Kinn, schien mir das seines Nachfolgers höchstenfalls sanfte Beharrlichkeit zu verraten. Aber wenn man der Bibel glaubte, genügte diese Sanftmut ja vielleicht, um zu siegen?
    Weil ich zu entfernt stand, hörte ich nicht, was Clemens VIII. zu Don Luis sagte, doch daß seine Vorstellung beendet war, erkannteich, als der spanische Marquis sich erhob und, in Etappen rückwärts gehend, sich auf mich zu bewegte. Da ich seinen Rückzug zum Zwecke der Nachahmung genau verfolgte, verpaßte ich es, wie der spanische Gesandte davonging, und erschrak ein wenig, als ich im nächsten Moment an seiner Stelle Kardinal Giustiniani sitzen sah. Nun war also ich an der Reihe. Weil aber der Kämmerer mir ein Zeichen machte, noch zu warten, verharrte ich leicht klopfenden Herzens und sah neben mir mit blassem, ernstem Gesicht, gesenkten Augen und in sich gekehrter Miene, als käme er von der Kommunion, Don Luis Delfín de Lorca durch die Samtportiere entschwinden.
    Der Kämmerer tippte mich an, nun war es an mir, meine Rolle in der Zeremonie zu spielen. Ich trat also zwei Schritt vor, fiel ins Knie und wartete, bis der Papst (der leise mit Giustiniani sprach) mich zu bemerken und zu segnen geruhte. Was er endlich tat. Ich stand auf und näherte mich dem Heiligen Vater, indem ich aber nicht geradewegs durch den Raum ging, sondern längs der Wand einen Bogen beschrieb wie vorher Don Luis. Auf halbem Weg fiel ich wiederum ins Knie, und wieder segnete mich der Papst. Nun durfte ich aufstehen und bis nahe vor seinen Thron treten, wo ich mich auf einem dicken, etwa sieben Fuß langen Teppich auf beide Knie niederzulassen hatte. Sowie Kardinal Giustiniani mich in dieser Positur sah, fiel nun er ins Knie und lüpfte das Gewand des Heiligen Vaters über dessen rechtem Fuß, der in einem roten Pantoffel mit einem kleinen weißen Kreuz darauf stak. Und weil dieser Pantoffel, wie ich wußte, mein Ziel war, rutschte ich denn, so gut es ging, auf beiden Knien über die ganze Länge des Teppichs. Indessen brauchte ich das Gesicht nicht bis zum Boden hinunterzusenken, der Heilige Vater hatte die Güte, seinen Fuß ein wenig anzuheben, um meinen Lippen entgegenzukommen, die ich auf das kleine weiße Kreuz drückte, nicht ohne zu bemerken, daß es von all den empfangenen Küssen etwas abgeschabt aussah.
    Der Papst blickte voll großer Güte auf mich, nannte mich beim Namen und sagte mit milder Stimme auf französisch, ich solle festbleiben in Frömmigkeit gegen die Kirche Frankreichs und im Dienst für mein Königreich (ohne aber den König zu erwähnen), welchem er selbst, wo er könne, aus ganzem Herzen dienen wolle. Ich weiß bis heute nicht, ob diese an einenFranzosen gerichteten Sätze einen politischen Sinn hatten oder ob sie nur gebräuchliche Höflichkeit waren.
    Wie Giustiniani gesagt hatte, blieb ich »still wie ein Standbild«, und der Papst spendete mir einen dritten Segen, mit welchem ich entlassen war. Ich erhob mich und tappte rückwärts, um wie Don Luis den Raum zu verlassen, ohne den Blick von

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