Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Alfonso auf seinem Torstein.
»Alfonso«, sagte ich entschlossen, »du hast es sehr gut gemacht: Richte der Signora Teresa aus, daß ich es mir zu hoher Ehre anrechne, ihr am Donnerstagabend vorgestellt zu werden.«
An jenem Abend, an dem besagte Vorstellung statthaben sollte – es war der Tag vor Karfreitag –, hörte ich eine Stunde vor der vereinbarten Zeit an mein Tor klopfen, und Thierry meldete, ein römischer Edelmann namens Alfonso della Strada wünsche von mir empfangen zu werden. Ich glaubte mich verhört zu haben und ließ den späten Besucher hereinführen, denn es war schon sechs Uhr. Aber ich wußte mich vor Staunen kaum zu fassen, als wirklich mein Bettler vom Dienst erschien, den der Page nicht erkannt hatte, so vornehm sah er aus in einem schwarzen Sammetwams, bestimmt hundertmal teurer als jenes, das ich ihm geschenkt hatte, mit sorgsam gestutztem Bart, die weißen Haare fein geschnitten, und ich muß sagen, ohne seinen Augenfehler und mit einem Degen zur Seite hätte er eine recht schmucke Figur abgegeben.
»Bei allen Heiligen, Alfonso!« rief ich, »wie hast du dich verändert! Ist dir nicht bange um deinen Erwerb, wenn man dich so wohl ausstaffiert auf der Straße sieht?«
»Niemand wird mich sehen, Signor Marchese, denn Ihr und ich, wir fahren zur Pasticciera in geschlossener Karosse.«
»Karosse, Alfonso? Ich habe keine Karosse! Das weißt du doch.«
»Deshalb habe ich mir erlaubt, eine für Euch zu mieten. Siekostet Euch nur zwei Ecus und ist eines Herzogs oder Kardinals würdig.«
»Und warum die Ausgabe?« fragte ich stirnrunzelnd.
»Weil dies der Abend vor Karfreitag ist, die Römer strömen zu Tausenden nach Sankt Peter, und wenn wir von der Pasticciera kommen, würden diese Menschenmengen uns zu Pferde nicht durchlassen. Eine Karosse mit geschlossenen Vorhängen und starkem Gefolge hingegen wird respektiert.«
»Wie weltkundig du bist für einen entlaufenen Klosterbruder!« sagte ich staunend.
»Ich habe bei toskanischen Kardinälen gelernt, Signor Marchese. Und um es nicht länger zu verhehlen, ich war bestallter Bettler des Kardinals Ferdinando de’ Medici, und als dieser Großherzog von Toskana wurde, vererbte er mich dem Kardinal Giustiniani, der, als Ihr kamt, mich samt seinem Palast wiederum Euch vermachte. Der Kardinal meinte, ich solle in gewisser Weise über Euch wachen.«
»Oder mich ausspionieren?«
»Mit Verlaub«, erwiderte Alfonso mit gepeinigter Miene, »wozu hätte ich Euch ausspionieren sollen, da Euer Fürst und der Großherzog von Toskana Freunde sind? Vergeßt nicht, ich bin Florentiner!«
Sankt Antons Bauch! dachte ich wie benommen, da werde ich, kaum in Rom angelangt, von dem kleinen Herrn Vincenti verfolgt, der dann zufällig zur Stelle ist, um mir den Palast des toskanischen Kardinals zu empfehlen, dem er dient. Tags darauf sitzt der bestallte Bettler besagten Kardinals vor meinem Tor, es zu »zieren«, wie er sich ausdrückt, und drängt mich, den »Lebemann zu geben«, ganz wie Kardinal Giustiniani es mir empfahl, dazu gesteht er, daß er über mich »wache«, aber wenn es regnet, bleibt er weg. Und obwohl die Toskaner über mich wachen, lenken sie, um d’Ossat zu schützen, die Aufmerksamkeit der Spanier auf mich, indem sie mich dem Papst vorstellen. Nun weiß ich freilich um die Bande meines Herrn zu ihnen, weiß, daß sie auf ihn bauen, um vor dem Appetit Philipps II. gerettet zu werden, und darf glauben, daß ihr Interesse an mir ein freundschaftliches ist. Trotzdem wünschte ich, ihr Verhalten mir gegenüber wäre nicht ganz so gewunden. Im übrigen ist auch meine Mission alles andere als klar; von allen, die mir bisher aufgetragen wurden, ist dies die langwierigste und heikelste: Dasoll ich in dieser fremden Stadt nun beobachten, ohne recht zu begreifen, was, und laufe unsichtbare Gefahren, ohne daß ich mehr tun kann, als zu warten, bis ich klarer sehe, während andere im Hintergrund die Fäden ziehen. Und dieser undurchschaubaren und unerquicklichen Lage ausgesetzt, bin ich überdies auf wenigstens zwei lange Monate meines Mirouls beraubt und obendrein abgeblitzt bei Doña Clara.
Nun, die Karosse war tatsächlich nobel und golden wie die des Kardinals Giustiniani, die roten Samtpolster im Innern nagelneu: ein würdiger Schrein für Alfonso und mich, der ich in meinen schönsten Kleidern glänzte und sogar das Band mit dem Heilig-Geist-Orden trug, den der König mir nach Laon verliehen hatte.
»Was ist denn das?« fragte Alfonso,
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