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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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der dicke Poussevent, während er mir die Wangen kratzte, die Früchte seiner Weisheit ausbreitete.
    »Meiner Treu, Herr Marquis!« sagte er mit seinem heftigen okzitanischen Akzent, »nie werde ich glauben, daß es gesund ist, so oft zu baden wie Ihr, das weicht bloß die Haut auf und öffnet aller Ansteckung Tür und Tor.«
    »Mein Poussevent«, sagte ich, »der große Mediziner AmbroiseParé gibt dir unrecht. Tägliche Waschungen hielt er für wohltuend, gesund und erquickend.«
    »Mit Verlaub, Herr Marquis«, sagte Poussevent, tief aus seinem Wanst seufzend, »wie kann Wasser gut sein, von außen wie von innen? Im Gascognerland heißt es, daß ein Wohlgeborener sich nicht soviel waschen soll; was ein rechter Edelmann ist, dem triefen die Achseln und käsen die Füße. Sagt doch, woran erkennt man das Kommen unseres guten Königs Henri? An seiner Duftmarke!«
    Worauf ich, statt weiter zu debattieren, lauthals lachte, das hohe Beispiel war zu schlagend. Und als Poussevent seine Bartschaberei beendet hatte, kroch ich in meinen Bademantel und ging zu Tisch, wo Pissebœuf mir den Napf mit meiner Brühe, in die Brot gebrockt war, auftrug. Weil nun die Brühe noch dampfte und um mir nicht den Gaumen zu verbrennen, wollte ich mich erst einmal am lodernden Kaminfeuer erwärmen (dieser römische März mutete eher nach Winter als nach Frühling an), fand aber dort den Hund Tibère hingefläzt, und schwärzliches Wasser, das aus seinem Fell troff, bildete eine Lache auf dem Marmorboden.
    »Thierry! Luc!« schrie ich zornig, »was hat der lausige Köter hier zu suchen? Habe ich nicht verboten, ihn ins Haus zu lassen?«
    »Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Herr Marquis«, sagte Luc mit graziöser Reverenz (die Thierry sogleich wiederholte, doch ohne den Mund aufzutun, er fühlte sich nicht zum Redner berufen), »aber während Ihr im Bad wart, goß es in Strömen, und Tibère war nicht nur völlig durchnäßt, er hatte sich obendrein in einer Pfütze gesielt, wie er’s gerne tut, mit dem Resultat, daß wir ihn zitternd wie Espenlaub und halbtot vor Kälte unterm Torweg fanden.«
    »Dann hättet ihr ihn in den Pferdestall bringen sollen.«
    »Wo leider kein Feuer ist«, sagte Luc mit neuerlicher Verbeugung, nachgeahmt von Thierry.
    »Wo aber auch kein Marmorboden zu verschmutzen ist«, entgegnete ich, »sondern gutes, trockenes Stroh, wo er sich einrollen kann.«
    »Herr Marquis«, sagte Luc mit Trauermiene, »muß er unverzüglich in den Pferdestall?«
    »Und ob!« sagte ich. Doch weil ich sah, wie der arme Tibèrevor Kälte schlotterte und obwohl er meinen Stiefel zerfetzt hatte, setzte ich hinzu: »Aber wartet, bis er getrocknet ist.«
    Worauf Luc und Thierry mir zugleich ihren dritten Kratzfuß machten, mit dankbarem Leuchten in den Augen, und Tibère, als hätte er verstanden, daß er nicht aus dem Paradies vertrieben wurde, mit dem Schwanz wedelte. Ich wechselte also zu besagtem Suppennapf hinüber, und da ich eben den Löffel eintauchte, hallte starkes Klopfen an der Tür durchs Haus. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob es wirklich so stark war, wie es meiner Erinnerung erscheint, doch da Luc nachsehen ging und ich vom Eingang her laute Stimmen hörte, als gäbe es dort Streit, richtete ich meinen Bademantel und ging, von Thierry und Pissebœuf gefolgt, zur Tür, durch die ich Alfonso gellend schreien hörte:
»Vorrei vedere il Signor Marchese! Vorrei vedere il Signor Marchese!«
1 Worauf Luc ihm durchs Guckfenster sagte, er möge sich gedulden, ich säße bei meiner Brühe, und Alfonso brüllte:
»Pazienza! Pazienza! La tua pazienza lo uccide!«
2
    Sehr verdutzt, hieß ich Luc die Tür öffnen, worauf Alfonso aschfahl ins Haus stürzte und, ohne mich überhaupt wahrzunehmen, bis in den Speisesaal lief, am Tisch innehielt, dann kehrtmachte, mich jetzt erst erblickte und auf die Knie fiel.
    »Dio mio! Dio mio! Egli e salvo!«
3 rief er, wobei er meine Hände ergriff und eine um die andere küßte.
    »Alfonso, was ist denn?« fragte ich.
    »Signor Marchese«, sagte er, noch immer bleich, die Augen wie aus den Höhlen getreten, »erlaubt, daß ich es Euch ins Ohr sage.«
    Was er mir nun zuflüsterte, machte mich so baff, daß mir die Stimme versagte und die Füße am Boden festklebten. Verdattert starrten die Pagen, Pissebœuf und Poussevent, bis ich mich faßte.
    »Poussevent«, sagte ich, »hole den Koch. Und ist er hier, dann gebt ihr anderen genau acht, was hier geschieht.«
    Dieser Koch war ein Florentiner mit

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