Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
neue Vermählung zu sichern. Es ging das Gerücht, er habe in seiner Schwäche der schönen Gabrielle die Ehe versprochen, doch regte sich im Staat bereits so starker Widerstand gegen diese Mesalliance, daß man annehmen durfte, Henri werde dem nicht trotzen, vielmehr an den europäischen Höfen Umschau halten nach einer geeigneten Prinzessin, die, gewiß, katholisch sein müßte, doch weder spanisch noch österreichisch, was die Auswahl schon erheblich einschränkte. Und die Florentiner standen in der Wertschätzung des Königs derzeit nicht nur wegen der großen Hilfe obenan, die sie uns in der Absolutionsaffäre erwiesen hatten.
Henri dankte mir in liebenswürdigen Worten für meine guten Dienste, sagte, sein Schatzmeister werde mir zehntausend Ecus auszahlen, doch mußte ich auf die Erfüllung dieses Versprechens zwei Jahre warten, denn der König bedurfte meiner erst wieder im März 1597.
Es war Anfang jenes Monats März, wie ich mich entsinne, als ich Madame, der Schwester des Königs, die leidend war, meine Aufwartung machte, wohl wissend, daß die Herzogin von Guise – mit welcher mein Umgang, weit entfernt, sich zu verlieren, mittlerweile so innig geworden war, daß ich nicht einmal mehr daran dachte, ihr untreu zu werden –, daß auch die Herzogin von Guise, sage ich, um die Vesperstunde dort sein würde. Und obwohl ich alleweil mit ihr zusammen war, wollte ich mich ihrer auch in Gegenwart anderer erfreuen. Außerdem empfand ich Hochachtung für Madame, die zwar keine Schönheit war (die lange, eingebogene Bourbonennase gereichte einer Frau nicht eben zur Zier), doch erstrahlte sie in diesem wirren Jahrhundert vor lauteren Tugenden, deren nicht geringste ihre eherne Treue zur reformierten Religion war, in welcher sie fest blieb wie ein Fels, obwohl sie seit der Bekehrung ihres Bruders einem unerhörten Druck ausgesetzt war seitens der Geistlichkeit, des Papstes, des Adels, der hohen Körperschaften des Staates und auch des Volkes.
Wie ich bereits anläßlich des Sterbelagers meines geliebten Herrn und Königs Heinrich III. anmerkte, ist bei Fürsten alles öffentlich: ihre Geburt, ihre Krankheiten, ja auch ihr Sterben. Und verböte es nicht der Anstand, würden die Höflinge auch zur Nachtzeit noch im Schlafzimmer ihres Königs darüber wachen, daß er tüchtig werke, dem Reich einen Thronfolger zu bescheren.
Das heißt, daß an jenem Abend im Gemach von Madame an die vierzig Herren und Damen versammelt waren, meistenteils Hugenotten, und nach meinem Kniefall zu Häupten der Prinzessin, die blaß und schmachtend in ihren Kissen lag, küßte ich Madame de Guise die Hand, die zur Rechten von Madame den einzigen Lehnsessel im Raum innehatte, und streifte sie scheinheilig mit einem rasch abgewendeten Blick, der indes Bände sprach und den sie, ohne sich sonst etwas anmerken zu lassen, mit verstohlenem Augenzwinkern erwiderte. Worauf ich mich zurückzog und derweise aufstellte, daß ich sie sehen und ihr mit den Augen dann und wann ein Zeichen senden konnte.
All diese Menschen, zusammengedrängt in einem nicht allzu großen Raum, taten für mein Gefühl nichts, als der armen Kranken Luft und Ruhe zu nehmen, derer sie doch bedurfte. Zumal ein jeder, nachdem er Madame gehuldigt, mit diesem und jenem über seine privaten Dinge plauderte, und mochte man sich auch noch so leise unterhalten, erzeugte dies doch ein anhaltendes und genauso störendes Geräusch wie lauthals geführte Gespräche. Und weil dieses dauernde Tohuwabohu Madame vermutlich ebenso lästig fiel, wie es sie durch seine Nichtigkeit ermüdete, hob sie die schmale, bleiche Hand, um Stille zu heischen.
»Vaumesnil«, sagte sie mit schwacher, doch wohlartikulierter Stimme, »spiel mir etwas, du weißt schon, was.«
Worauf Vaumesnil die Laute von seiner Schulter nahm und, in die Saiten greifend, den schwermütigen Psalm 79 anstimmte, der einer Frau sicherlich aus dem Herzen sprach, die sich bereits in den Fängen des Todes wähnte. Als nun diese den anwesenden Hugenotten vertrauten Klänge ertönten, murmelte Madame, ohne wirklich zu singen, die Worte mit, und derweise ermutigt, erhoben die Hugenotten ihre Stimme:
Oh, hätt ich Engelszungen,
Die Harfe Seraphins,
Dein Lob ich wollte singen,
Herr, du Erlöser mein.
Nicht, daß die Katholiken in dem Kreis, wenigstens ein gutes Dutzend, böse Miene machten – schließlich war dieser Gott auch ihrer –, doch stimmten sie nicht mit ein, und wiewohl mich die Lust dazu ankam, weil ich die
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