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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Verse gut kannte, die mein Vater und Sauveterre so oft gesungen hatten und die liebe Erinnerungen an Mespech beschworen, blieb auch ich stumm, weil meine kleine Herzogin mich mit einem Blick ermahnte, klug zu sein, und dazu mit den Lippen, ohne es auszusprechen, das Wörtchen »Heringsfaß« formte. Und ebenso belustigt von der vertrauten Neckerei wie überzeugt, daß sie recht hatte – denn hätte ich mitgesungen, wäre ich den anwesenden Papisten auf immer verdächtig geworden –, hielt ich mich gleichfalls still, wenn auch aus sehr anderen Gründen.
    In dem Moment trat der König ein, um seine Schwester zu besuchen, an der er sehr hing, gefolgt von Gabrielle – die erkürzlich zur Marquise von Montceaux gemacht hatte, ein wirklich geschwinder Aufstieg im Adelsrang, wenn ich des meinen gedachte, doch mochten dem König die kleinen Dienste, die sie ihm erwies, eben unvergleichlich erscheinen. Worin man ihm freilich beipflichten mußte, so schön war das Weib im blaßblauen Seidengewand, funkelnd vor Diamanten und Goldfäden in den langen blonden Haaren. Wie nun der König Madame die Wangen küßte, die, wie gesagt, leise den Psalter halb sprach, halb sang, mag dies bei ihm Erinnerungen an die gemeinsame Kindheit geweckt haben, oder er wollte die Hugenotten ein wenig aufrichten, die durch seine Bekehrung und sein beharrliches Bemühen um die päpstliche Absolution stark verunsichert waren, oder aber er wollte der geliebten Schwester beistehen in ihren Ängsten, jedenfalls fiel er mit sichtlicher Bewegung in den Gesang der anderen ein:
    Ich preise deine Liebe, Solang mein Mund noch spricht,
    Und segne deinen Namen,
    Solang mein Herze schlägt. Versagt mir dann die Stimme,
    Lobt noch mein Seufzen dich.
    Wie erstarrten da die Katholiken und auch Madame de Guise! Die einen, weil sie sich fragten, ob der König plötzlich zurückfalle in Ketzerei, die Herzogin, weil sie voraussah, welchen Skandal dieser Verstoß gegen den katholischen Ritus bei den Feinden des Königs – der ja ihr Cousin war und den sie sehr liebte –
urbi et orbi
erregen würde. Hier nun bewies Madame de Montceaux, die Papst und Geistlichkeit um so mehr zu schonen trachtete, als sie nach der Scheidung des Königs von Margot ja Königin werden wollte, große Geistesgegenwart. Rasch streifte sie ihren Handschuh ab und legte, was sie als einzige im ganzen Reich sich herausnehmen durfte, dem König ihre schöne Hand auf den Mund. Er schwieg. Und da Madame ihren Bruder verstummen sah, fuhr sie in ihrem frommen Gemurmel nicht weiter fort, so daß schließlich auch die Hugenotten aufhörten zu singen, aber erregt, zornbebend, mit erzürnten Blicken auf jene Dalila, die vor ihren Augen den armen Simson schor, und es fielen Worte, die nicht so leise gesprochen wurden, als daß nicht alle sie hörten.
    »Seht ihr, wie das Weibsbild den König hindern will, Gottes Lob zu singen?«
    Und, beim Ochsenhorn! ich gab ihnen nicht unrecht. So schlichte Verse, so unschuldige Worte – wie konnten die Katholiken daran Anstoß nehmen? Der Herzog von Mayenne war ausgesöhnt mit dem König, Joyeuse hatte sich unterworfen, die Liga kämpfte nur mehr mit einem Flügel, und sah man von der Bretagne ab, war fast ganz Frankreich befriedet. Und da sollten wieder die Schwerter in den Scheiden zucken, nur weil ein Franzose die Messe hörte und der andere einen Psalm sang?
     
    Es geschah am 11. dieses selben März, der Frankreich beinahe zum Verhängnis geworden wäre, wie ich erzählen will. Ich weilte im Louvre, im Gespräch mit Monsieur de Rosny, als ein Edelmann des Marschalls von Biron kam und sagte, sein Herr gebe zu Ehren des Kindes, das die Frau Herzogin von Montmorency-Damville geboren und das der König am 5. März übers Taufbecken gehalten hatte, einen Ball. Es seien aber bisher nur dreizehn Ehrengäste da, und um diese Zahl zu vermeiden, lasse der Marschall Monsieur de Rosny bitten, den vierzehnten abzugeben.
    »Ich kann nicht gleich kommen«, sagte Monsieur de Rosny (der, Hugenotte hin oder her, kein Trauerkloß war und genauso gern tanzte wie jeder guten Mutter Sohn in Frankreich), »ich habe noch mit dem König zu sprechen, aber wenn Monsieur de Siorac bis Mitternacht Euer Mann sein wollte, könnte ich ihn danach ablösen.«
    Worauf ich ein wenig die Nase rümpfte, denn seit dieser berühmten Taufe riß am Hof die Kette der Mummenschanzereien, Maskenfeste, Pantomimen, Spiele und Festmähler nicht ab, jeweils mit Bällen danach bis in den frühen Morgen, denn

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