Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Karossenlichter, die durch Regen getrübt waren, hinter jenen Karren mehrere Gestalten. Und als Beringuen in seiner Ungeduld schießen wollte, bat ich ihn leise, die Sache mir zu überlassen.
»Ihr Herren von der Ganovenzunft!« rief ich in dem frotzelnden Ton, den wir Franzosen, ob Gauner oder nicht, über alles lieben, »was ist euer Begehr?«
»Nicht viel«, sagte ein langer Kerl, der samt einem guten Dutzend Kniekehlenschneider hinter der Barrikade hervortrat, doch ohne auf uns zuzukommen, wahrscheinlich wegen unserer Pistolen. »Nicht viel«, versetzte also dieser Bursche im selben Ton wie ich, »nur die Karosse, die Pferde, Eure Börsen und, falls Ihr Widerstand leistet, Euer Leben.«
»Kamerad«, sagte ich, um Zeit zu gewinnen, bis unsere Eskorte eintraf, »deine Falle ist gut gestellt, aber das Wildbret, das du gefangen hast, ist ein bißchen zu groß für dich. Die Karosse gehört dem König, die Pferde auch, du kannst sie nicht verkaufen, weil alle sie kennen.«
»Bah!« sagte der Kerl, »erst mal die Börsen, dann sehen wir weiter!«
»Das ist vernünftig«, sagte ich.
Hiermit griff ich eine Handvoll Ecus aus meinem Beutel und streute sie unter die Karren, eine Taktik, die mir in jungen Jahren gegen die Räuber von Montpellier immer so trefflich gelungen war. Und tatsächlich, kaum klingelten die Münzen auf dem Pflaster, gingen die Strolche in die Knie und zankten sich um die Taler.
»So kommt Ihr nicht davon!« rief der Lange, der es verschmäht hatte, sich zu bücken. »Ich will alles!«
»Alles?«
»Eure Börsen, beide.«
Ich sah, wie Beringuen sich die eine seiner Pistolen unter den Arm steckte, um seine Börse hervorzuziehen.
»Laßt«, raunte ich ihm zu. »Haben sie erst unser Geld, wollen sie mehr.«
»Kamerad«, sagte ich laut, »deine Lage ist nicht ganz so rosig, wie du glaubst. Jeden Augenblick kann unsere Eskorte eintreffen. Und sobald hier eine Schießerei beginnt, kommen die Pagenund Diener aus dem Hôtel Biron gelaufen, dessen Fenster ich zwanzig Klafter hinter dir leuchten sehe.«
»Ein Grund mehr, das Geschäft abzuschließen«, sagte der Lange. »Alsdann, Messieurs, rückte Eure Börsen heraus, oder wir hauen Euch in die Pfanne.«
»Los, Siorac«, zischte Beringuen, »eröffnen wir das Feuer! Denen vergeht das Geschrei, wenn sie erst unsere Pflaumen schlucken.«
»Beringuen«, sagte ich leise, »es regnet. Können wir den Zündern unserer Pistolen trauen? Zwar habe ich trockene in meinem Wams. Aber bleibt uns die Zeit, sie einzulegen? Und wenn wir länger feuern, haben wir nur noch unsere zwei Degen gegen ein Dutzend Schelme.«
»Bei Gott, was aber dann?« sagte Berlinguen verzweifelt.
»Da hilft nur eins«, versetzte ich energisch, »Ihr werft auch eine Handvoll Ecus, und wenn sie sich bücken, laufen wir und verbergen uns hinter der Karosse.«
»Und ich?« fragte mit zitternder Stimme der Kutscher.
»Du auch.«
Beringuen streute, und entweder war seine Hand größer als meine, oder ihm war jede hugenottische Sparsamkeit, selbst unter Gefahr, ganz fremd, jedenfalls krochen und grapschten die Strolche so fröhlich an der Erde, daß unser Rückzug gelang und der Lange das Nachsehen hatte.
»Kamerad«, rief ich ihm zu, »laß uns passieren. Willst du ein tödliches Scharmützel um die paar Kröten riskieren, die uns noch bleiben? Hier warten sechs Pistolenläufe, vergiß das nicht!«
Beringuen, der Nase und Waffen um die Ecke der Karosse streckte, wollte mir etwas sagen, doch hieß ich ihn still sein, um hören zu können, was hinter der Barrikade geredet wurde. Tatsächlich schienen die Burschen der Meinung, genug gewonnen zu haben, um sich noch unseren Kugeln auszusetzen. Doch der Lange, schien es, blieb fest. Er wollte Kutsche und Pferde, vielleicht sogar weniger um des Gewinns als um der Ehre willen, dem König eine Karosse gestohlen zu haben und sich dessen bis an sein Lebensende rühmen zu können.
»Kutscher«, sagte ich leise, »krieche zwischen die beiden Vorderräder der Karosse, und schieß auf jeden, der deine Pferde anrührt.«
»Monsieur«, sagte der Kutscher, »zwischen den Rädern fließt aber der Rinnstein, und der ist, mit Verlaub, voll Pisse und Kot.«
»Hast du nicht gehört, was der Marquis de Siorac dir befiehlt?« herrschte ihn Beringuen an.
»Bei allem untertänigsten Respekt, Monsieur«, sagte der Kutscher, »ich gehöre nicht Euch, sondern dem König.«
»Kutscher«, sagte ich, »du hast recht. Hier sind zwei Ecus, davon laß dir deine
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