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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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transportieren, entweder indem ich den Zug anführte oder Rosny begleitete.
    Nun, schöne Leserin, wenn Sie mir Ihr hübsches Ohr leihen wollen, dann erzähle ich Ihnen jetzt eine Geschichte, jene Gelder betreffend, die Sie nicht nur ergötzen, sondern vielleicht auch über die seltsamen Sitten der Mächtigen dieses Reiches aufklären wird.
    Madame, die sich von ihrer Krankheit erholte und damit abfand, wenigstens noch einige Jahre die ewige Seligkeit entbehren zu müssen, lud uns, Monsieur de Rosny und mich, Ende März an ihre Tafel – eine hohe Ehre, gewiß, doch ein karges Mahl, die Prinzessin lebte spartanisch.
    Was mich angeht, so gestehe ich, daß ich Catherine von Bourbon (trotz ihrer langen Nase) sehr gern hatte, denn ihre Naivität war rührend. Sie hatte recht schöne Augen, die natürlich an die ihres königlichen Bruders erinnerten, doch waren sie nicht so lebhaft, dafür aber wie von ihren Tugenden durchtränkt, die ihr den Ehegemahl ersetzten. Trotz ihres hohen Ranges, der sie zur begehrtesten Partie der Christenheit machte, war sie mit dreiundvierzig Jahren noch Jungfrau, weil sie einen katholischen Herrn nicht gewollt hatte und die Franzosen ihr einen protestantischen Prinzen nicht genehmigten. 1 Hierfür entschädigte sie der Himmel – und auch der Vorzug, daß sie nichts von den Schändlichkeiten dieser Welt wußte, nie Böses dachte und bei allem wie ein Nönnchen errötete, ein Vergleich, der ihr natürlich mißfallen hätte, ihr, der strengen Hugenottin.
    Die Mahlzeit war zu Ende, Rosny und ich saßen noch hungrig an der Tafel, da meldete ihr Majordomus, daß ein gewisser Robin, ein Geldmann, untertänigst bitte, vorgelassen zu werden. Worauf Monsieur de Rosny, der, wie gesagt, emsig Reichsämter auf drei Jahre verkaufte, Madame bat, dem Wunsch diesesRobin zu willfahren, könnte der doch vielleicht eins erwerben wollen.
    Ich fürchte, schöne Leserin, der Mensch wird in Ihren Augen keine Gnade finden, schön war er wahrlich nicht, dazu humpelte er auf einem Bein und schielte. Nach seinen endlosen Komplimenten gegen Madame, dann gegen Rosny und auch gegen mich zu urteilen (obwohl ich wette, daß er meinen Namen gar nicht kannte), schien seine ungefällige kleine Person mir eine Mischung aus widerwärtiger Demut und verschlagener Schamlosigkeit zu sein. Und in welches seiner Augen man auch blickte, das schielende oder das andere, blieb der Eindruck der Falschheit stets derselbe.
    »Eure Hoheit«, sagte er, »ich bitte um Vergebung, daß ich Euch nicht den ziemlichen Kniefall erweise, aber (und hier seufzte er zum Steinerweichen) mein armes Bein macht ihn nicht mit.«
    »Robin«, sagte Madame mit einem kühlen Blick, »ich lege keinen Wert auf Kniefälle, denn die gebühren für mein Gefühl nur dem Herrn im Himmel. Kommt bitte zur Sache, wir wollen die kurze Zeit, die uns in diesem Tal der Tränen vergönnt ist, nicht mit Bücklingen vergeuden. Um was geht es?«
    »Eure Hoheit«, sagte Robin, »Euch zu dienen, es ist folgendes: Ich habe Hoffnung, daß die Herren des Königlichen Rates mir die Pacht der Ämter von Tours und Orléans für die Summe von fünfundsiebzigtausend Ecus zusprechen.«
    »Rosny, was bedeutet diese ›Pacht‹?« fragte Madame, die, wenn sie etwas nicht wußte, so klug war, es ungescheut zuzugeben und sich zu erkundigen.
    »Robin«, sagte Rosny undurchschaubaren Gesichts, »will vom Königlichen Rat das Recht erwerben, die Ämter von Tours und Orléans an unserer Statt zu verkaufen.«
    »Und welches Interesse hat Robin daran?« fragte Madame.
    »Ein enormes«, sagte Rosny, und seine Augen blitzten.
    »Wieso?«
    »Die Differenz zwischen dem Preis, den er beim Verkauf besagter Ämter einstreicht, und der Pauschalsumme, die er dem Königlichen Rat dafür anbietet, ist sein Gewinn.«
    »Um Vergebung, Monsieur«, sagte Robin mit Heuchlermiene, »diese Summe wird nicht ernorm sein. Sie wird mich gerade nur für meine Mühen entschädigen.«
    Worauf Monsieur de Rosny lächelte, ohne etwas zu sagen.
    »Aber, Maître Robin«, sagte Madame, »was haben wir mit der Sache zu tun?«
    »Da ich hörte, Hoheit, daß die Königlichen Finanzen jetzt Monsieur de Rosny unterstehen, wünschte ich, daß er nicht verhindern wolle, oder daß Ihr ihn bittet, nicht verhindern zu wollen, daß meiner Person die Pacht der Ämter von Tours und Orléans vom Königlichen Rat zugesprochen wird.«
    »Habt Ihr das dem Rat vorgetragen?« fragte Rosny.
    »Noch nicht«, sagte Robin, die Augen senkend.
    »Wenn

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