Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
lüsternen Blicken, die Pissebœuf auf ihre Mädchen warf, aber doch wohl Zweifel an der Haltbarkeit besagter Kandare, und nicht fühllos gegen ihr Gesinde, zögerte sie. Ich half ihr aus der Verlegenheit, indem ich durch einen Pagen Monsieur de La Surie rufen ließ, der nach Kenntnis seines Auftrags auch gleich herbeigesprengt kam und nach dem ersten Blick auf die Frauen mit seiner Rolle recht zufrieden schien.
So ließ ich denn meinen Miroul bei den Mädchen als Tugendwächter zurück und trabte, Eskorte und Kutschen im Geleit, mit Madame de Sourdis nach Schloß Liancourt, wo der Majordomus von seinem Herrn, der mit dem König vor Amiens kämpfte, angewiesen war, in allem meinem Befehl zu gehorchen.
Ich ließ Madame de Sourdis das schönste Zimmer geben, und weil sie mir erzählte, auf Schloß Liancourt spukten böse Gespenster, nahm ich zu ihrer Beruhigung das ihr benachbarte Zimmer und erbot mich sogar im Scherz, ihr in Abwesenheit ihrer Zofen beim Auskleiden zu helfen, was sie zwar ablehnte, aber mit Entzücken quittierte. Und nachdem ich eigenhändig ein schönes Feuer in ihrem Kamin entfacht und die Fenster so dicht mit den Gardinen verhängt hatte, daß auch das dünnste Gespenst schwerlich hindurchgeschlüpft wäre, ließ ich sie allein, und sie sagte, gerührt darüber, wie gut ich mich ihrer angenommen hatte, ich sei der wunderbarste Mann und künftighin für sie »weit mehr als ein Freund«.
Ziemlich geschmeichelt von so liebreichen Worten, begab ich mich in den Schloßhof, wo Pissebœuf inzwischen alle unsere Kutschen hatte rundum stellen und auf dem Pflaster jeweils kleine Feuer hatte entzünden lassen, auch die Nachtwachen hatte er schon eingeteilt, pro Kutsche drei Mann. Hierauf ging ich nachsehen, ob meine Reiter alle mit Nahrung versorgt waren, denn wir bestritten alles aus eigenem Vorrat, um nicht unseren Gastgebern, und sei es nur für eine Nacht, die Verköstigung von zweihundert Ausgehungerten aufzubürden. Dann sah ich nach unseren Tieren in den Pferdeställen, wo in mattem Laternenlicht alles rührig war, die Pferde zu striegeln, zu füttern und zu tränken, und Hufschmiede von einem zum anderen gingen, um verlorene Eisen zu ersetzen. Das Feuer in der Schmiede loderte hell. Wie man weiß, habe ich für den Krieg nicht viel übrig, dafür aber, das gestehe ich, liebe ich unbändig diese Lager- und Biwakszenen, besonders zur Nacht, die ihnen zusätzlichen Zauber verleiht und wo man spürt, daß Mensch und Tier gleichermaßen froh sind, sich nach des Tages Mühsal und Plagen zu erquicken.
Ich kam just zurück in den Schloßhof, als die Karosse von Madame de Sourdis mit ihrer »winzigen« Eskorte und meinen Männern bereits einfuhr, und sah im Fackelschein, wie drei etwas zerstrubbelte Mädchen ausstiegen und wer noch, wenn nicht Monsieur de La Surie, der offenbar sein Pferd Pousseventübergeben und gemeint hatte, er könnte die Frauenzimmerchen am besten aus allernächster Nähe beschützen.
Ich schickte die besagten unter Lucs Führung sogleich aufs Zimmer von Madame de Sourdis, gefolgt von vier Männern – und die waren nötig! – mit den Kisten und Kasten der Marquise, die auf Reisen zwar an der Bedienung sparte, aber nicht an Kleidern und Putz. Als nun gerade der Majordomus fragte, wann wir zu Abend speisen wollten, antwortete ich, das viele Gepäck im Auge, nicht ohne einen Seufzer, es werde wohl neun Uhr werden, bis wir zu Tisch gehen könnten, doch nähme ich mit dem Chevalier de La Surie bis dahin gern eine Flasche Wein, etwas Brot und ein Stück Käse.
Als ich dem Wagner für seine schnelle Arbeit dankte, erwiderte der gute Mann, das sei ein Klacks gewesen, er habe alle Teile völlig unzerbrochen gefunden, gerade so, als hätte man das Rad von der stehenden Karosse abgenommen, nachdem die Damen ausgestiegen waren; denn wäre es in voller Fahrt abgesprungen, hätten Rad und Gefährt Schäden gelitten, und die Damen wären nicht ohne Beulen und Schrunden davongekommen. Ich hörte dies leicht verwundert und versprach dem Meister und seinen Gehilfen eine Flasche extra für den Abend.
Um halb neun ließ ich unserer schönen Dame durch Luc sagen, daß wir sie um neun Uhr bei Tisch erwarteten, doch dauerte es noch eine Stunde, bis sie erschien, berückend geschminkt, prächtig in mattrosa Seide gekleidet und mit Schmuck behängt wie ein Reliquienesel. Man muß schon zugeben, daß sie für eine Dame über Fünfunddreißig noch sehr ansehnlich war, mit hübsch rundem Busen und Hals,
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