Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
drohender Schwierigkeiten von dieser Seite her nahm ich einen Wagner mit.
Und obwohl die Porte Saint-Denis für unseren Aufbruch ausParis das nächstliegende Tor war, benutzte ich es fast nie, ebenso wie ich nicht den kürzesten Weg, über Clermont und Montdidier, nahm, außer auf der Rückreise, weil ich dann nichts zu geleiten und also keinen Überfall zu befürchten hatte. Vielmehr trug ich acht, unsere Strecke immer erst im letzten Moment festzulegen und sie jedesmal abzuändern, und anstatt in einer Stadt Rast zu halten, zog ich mit meinen Wagen lieber in eine Burg, die größere Sicherheiten bot, deren Besitzer ich hierüber aber erst kurz vorher benachrichtigte. Und ich garantierte ihm, daß unser Aufenthalt ihn keinen Heller kosten werde.
Meine Eskorte, also zweihundert Mann Reiterei, teilte ich in drei Teile. Die Vorhut, fünfzig Mann stark, die Monsieur de La Surie anführte, geleitete die leichteren Kutschen, das heißt die mit den Nahrungsmitteln. Das Gros der Kräfte, welches ich befehligte, umfaßte hundert Berittene und schützte das Gold. Der Nachhut schließlich, insgesamt fünfzig Reitern, die Pissebœuf unterstanden, war die schwerste Last des Zuges anvertraut, also die gesamte Munition, Pulver, Kugeln, sogar Kanonen auf Lafetten, die leider nicht in Kutschen verstaut werden konnten. Meine beiden Pagen, welche die Verbindung und Übermittlung zwischen Vorhut, Nachhut und mir herzustellen hatten, machten sich einen Spaß aus dem dauernden Hin und Her zwischen vorn und hinten, sie sirrten und schwirrten wie die Mücken.
Kurz bevor wir Schloß Liancourt erreichten, wo wir zu nächtigen gedachten, kam Thierry, der in der Nachhut neben Pissebœuf geritten war, zu mir mit der Meldung, die Karosse einer hohen Dame, die hinter uns gefahren war, habe ein Rad verloren und liege halb umgestürzt am Rain; die Dame sei unverletzt, aber in Tränen zerflossen und rufe mich, da sie meinen Namen gehört, um Hilfe an. Ich schickte sogleich Luc zur Vorhut, um La Surie zu sagen, er solle den Zug anhalten, und eilte in die Gegenrichtung, der Unglücklichen beizustehen.
Wie staunte ich, die schöne Madame de Sourdis zu erkennen, die ich allerdings ziemlich aufgelöst fand, doch ohne jegliche Wunden. Kaum daß sie mich erblickte, sank sie mir in die Arme und umschlang mich mit einer Vehemenz, die ich bei ihrer Schmerzensmiene nicht erwartet hätte, um mich unter Schluchzen und Seufzen ihrer ewigen Dankbarkeit zu versichern. Natürlich verstand ich, daß die Dame sich sehr erschrocken hatte, als ihre Karosse umstürzte, doch da sie heil und unversehrt gebliebenwar, hätte sie für mein Gefühl die größte Aufregung schon überwunden haben können. Sie streckte sie also offenbar, um sie länger auszukosten, und auszukosten in Gesellschaft eines Mannes, denn Männer liebte sie.
»Madame«, sagte ich, als sie mich freiließ, »ich habe mir Euer Rad angesehen. Es ist nicht gebrochen, mein Wagner macht es Euch in ein, zwei Stunden wieder fest.«
»Ein, zwei Stunden?« schrie sie weinend auf, »aber es dämmert schon! Soll ich in schwarzer Nacht allein bleiben mit meiner winzigen Eskorte? Monsieur, mein Freund, könnt Ihr mich hier sitzenlassen, nachdem Ihr mir das Leben gerettet habt?«
»Das verhüte Gott«, sagte ich. »Madame, ich habe unter den Pferden einen Zelter samt Zaum und Sattel, ein Geschenk des Königs für die Marquise von Montceaux, wenn Ihr den besteigen wolltet, Schloß Liancourt liegt eine halbe Meile von hier, dann reiten wir gemeinsam dorthin. Und sobald mein Wagner das Rad befestigt hat, können Eure Karosse, Eure Frauen und die Eskorte nachkommen, die ich durch zwanzig meiner Leute gern verstärke.«
Bei diesen Worten hoben die Zofen von Madame de Sourdis – es waren ihrer drei, was zeigte, daß die Marquise sich auf Reisen zu beschränken wußte –, hoben also die Zofen, sage ich, zu schreien und zu greinen an und plusterten ihr Gefieder.
»Wehe, Madame!« riefen sie kläglich, »sollen wir allein bleiben bei Nacht mit diesen groben Soldaten? Denn sobald Ihr den Rücken kehrt, fallen sie über uns her, daß wir ihnen zu Willen sind! Gebenedeite Jungfrau, Madame! Habt Ihr uns dazu mitgenommen in die Fremde, daß wir im Straßengraben kopfunter genotzüchtigt werden?«
»Still doch, ihr Dummchen!« herrschte Madame de Sourdis sie an. »Dieser Hauptmann hier«, setzte sie, auf Pissebœuf weisend, hinzu, »wird seine Soldaten wohl an der Kandare zu halten wissen.«
Nun kamen ihr bei den
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