Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
an und ging sogleich hin.
Meine schöne Leserin glaube nun nicht, daß Gabrielle, als sie Paris mit dem Feldlager zu Amiens vertauschte, wo sie trotz Krieg und Kanonaden sich sicherer fühlen durfte als unter den Parisern, die ihr nicht eben wohlwollten, vom Palast in eine Kate gezogen wäre. Weit gefehlt! Ihr Zelt war alles andere als spartanisch oder militärisch, vielmehr überaus groß und von oben bis unten mit goldenem Leder ausgespannt. Parkett bedeckte die gestampfte Erde und das Parkett ein großer Teppich, der ihre hübschen Füßchen vom Boden isolierte. Zartgrüne Seide zierte ihr Faltbett, das man als Feldbett nicht hätte bezeichnen können, so üppig war es mit Kissen und Pelzen belegt, groß genug überdies, daß zwei Personen sich nach Behagen darauf tummeln konnten. Der Toilettentisch, der nach Maßen und luxuriöser Dekorationan zweiter Stelle kam, mit Goldbrokat und Brüsseler Seide behängt, zeigte vor einem kostbaren Spiegel eine ganze Batterie von Gefäßchen mit Cremes, Balsam, Parfüms und seidenfeinen Bürsten. An der einen Längsseite des Zeltes reihten sich verzierte Truhen, die, wette ich, all die Waffen bargen, mit welchen dieses sanfte Geschlecht unsere armen Herzen unter Beschuß nimmt: Seiden, Samte, Damaste, meine ich, Schnürleibe, Mieder, Ärmel und Reifröcke, von den großen Kragen aus Venezianer Spitze, dem Haarputz und den Pölsterchen für Magere ganz zu schweigen. Doch Gabrielle bedurfte solcher Unterstützung gar nicht, sie war »frisch und feist«, wie der König es ausdrückte, dabei von schlanker und schmiegsamer Gestalt.
Zwei geschnitzte und vergoldete Sessel, Thronen gleich, standen einer an der Schmal-, einer an der Längsseite des Falttisches, damit der König der Schönen beim Essen nahe genug saß, um ständig ihre Hand zu halten – was beide das ganze Mahl über einarmig machte, so daß keiner sein Fleisch schneiden konnte. Doch das tat wohl der Majordomus für sie, wie man sich denken kann.
Dieses Zelt war das einzige im ganzen Lager, das einen beim Eintritt nicht mit den Gerüchen von Leder, Schweiß, Pferd und Schießpulver empfing, sondern mit einem um süße Düfte bereicherten
odor di femina
, flatterten doch bei verschiedensten Tätigkeiten etliche Kammerjungfern umher, die Gabrielle, im Verlaß auf ihre eigenen unvergleichlichen Reize, ebenso jung wie hübsch um sich geschart hatte. Ach, Leser! Welches Zaubermittel vermöchte dem bloßen Anblick all der Weiblichkeit gleichzukommen, den dieses Zelt so überreich bot wie ein Bienenstock Honig! Mir verschlug es schier den Atem, als ich eintrat, und wie sprachlos verharrte ich an der Schwelle.
Die Marquise de Montceaux, die an ihrem Toilettentisch saß (eine Zofe kämmte mit einem Perlmuttkamm ihr goldenes Haar), gewahrte mich in ihrem Spiegel und reichte mir, ohne sich umzuwenden, ihre Hand zum Kuß.
»Ah, Monsieur de Siorac!« sagte sie mit lieblicher Stimme, »nur zu lange habe ich gesäumt, Euch vieltausendmal für die galante Hilfe zu danken, die Ihr meiner Tante Sourdis in ihrer Not erwiesen habt. Die ganze Zeit, die sie die Freundlichkeit hatte bei mir zu weilen, sang sie Euer Lob und sagte, Ihr wärt der vollendetste Edelmann der Schöpfung.«
»Madame«, sagte ich, »ich bin sehr gerührt, daß Madame de Sourdis so nobel von mir spricht, obschon es zuviel der Ehre ist. Denn in Wahrheit habe ich für sie nur getan, was jeder andere auch für eine Dame getan hätte.«
»Nein, nein, Monsieur! Sie erzählte mir, mit wieviel Fürsorge und zarter Aufmerksamkeit Ihr sie umgabt. Monsieur, keine Widerrede«, setzte sie lachend hinzu, »fortan seid Ihr gesalbt und geweiht als der höflichste Edelmann des Reiches. Übrigens sagt das auch Madame de Guise und rühmt in höchsten Tönen den vorzüglichen Dienst, den Ihr ihrem Sohn Charles zu Reims erwiesen habt.«
»Madame«, erwiderte ich mit gebotener Vorsicht, »so hoch ich Madame de Guise auch achte, hätte ich diese Mission zu Reims doch nicht übernommen, wenn Seine Majestät ihr nicht zugestimmt hätte.«
»Monsieur«, sagte Madame de Montceaux, indem sie ihrer Jungfer bedeutete, ihre Haare nun zu lassen, und auf ihrem Schemel anmutig herumschwenkte, so daß sie mir gegenüber saß, »ganz so verstand ich es auch, und würde ich Eure Dienstbarkeit jemals beanspruchen wollen, so nicht, ohne mich zuvor der Einwilligung des Königs versichert zu haben.«
Womit sie mich aus ihren himmelblauen Augen ernst anblickte und ich ganz betäubt war von ihrer
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