Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Schönheit, besonders von ihrem unglaublich lichten, wie durchscheinenden Teint. Zudem fand ich ihre Antwort ebenso treffend wie klug. Doch wenn mich auch ihre Klugheit erstaunte, so mehr noch die Sanftheit ihrer Züge, die, wenn ich meiner kleinen Herzogin glaubte, nicht nur Schein war.
»Madame«, sagte ich, mich verneigend, »glaubt mir, daß ich unter diesen Bedingungen sehr glücklich wäre, Euch jeden Dienst, klein oder groß, zu erweisen, den Ihr von mir fordern wolltet.«
»Ha, Monsieur!« sagte sie, »wie liebenswürdig Ihr sprecht! Das ergänzt wunderbar das Porträt, das meine Tante und Madame de Guise mir von Euch zeichneten!«
Hierbei lächelte sie, und wieder frappierte mich, wie licht ihr schönes Antlitz war. Alles daran war hell und klar: das Lächeln, der Teint, die Augen, die Haare.
Es folgte ein Schweigen, sie schaute mich an, sah, in welchem Maße ich von ihrer Schönheit geblendet und von ihrer Freundlichkeiterobert war, und begriff, daß sie von mir fordern konnte, was sie im Sinn hatte, ohne eine Ablehnung fürchten zu müssen.
»Nun, Monsieur«, sagte sie mit einer Spur gespielter Vertraulichkeit, »da ich Euch nun so gutgesinnt gegen mich finde, möchte ich Euch bitten, bei meiner Freundin, Madame de Guise, ein gutes Wort einzulegen, damit sie mir einen Landsitz bei dem Dorf Beaufort in der Champagne verkauft, den sie ein wenig vernachlässigt hat, seit ihr Haus verarmt ist.«
Ich war etwas verdutzt über dieses sonderbare Verlangen, und weil ich mir nicht schlüssig wurde, sollte ich es abschlagen oder annehmen, blieb ich eine Weile stumm, ohne daß Gabrielle mir irgendeinen Ausweg aus meiner Verlegenheit bot, sondern mich nur sanft, freundlich und friedlich ansah, als zweifle sie nicht an meiner Zusage.
»Madame«, sagte ich schließlich, »ich wäre durchaus geneigt, mich in dieser Angelegenheit zu Eurem persönlichen Fürsprecher bei Madame de Guise zu machen, sofern Seine Majestät bestätigen wollte, daß Sie mich auch in dieser Rolle wünscht.«
»Monsieur«, versetzte Gabrielle mit hellem Lachen, »er wünscht es allerdings, er selbst hat mir Euren Namen ja genannt, weil er Euren Überzeugungskünsten voll vertraut.«
Ha, dachte ich, dieser listige Béarnaiser! Wie er doch aus allem Vorteil zu ziehen weiß! Da er als einziger am Hof durch seinen Geheimagenten um mein besonderes Band zu Madame de Guise weiß, benutzt er mich, sie zu einem Verkauf zu überreden, bei dem er aus naheliegenden Gründen nicht selbst in Erscheinung treten will.
»Übrigens«, fuhr die Marquise de Montceaux fort, »wird der König es Euch selber sagen, wenn Ihr von ihm Urlaub nehmt, denn wie ich hörte, kehrt Ihr in die Hauptstadt zurück.«
»Madame«, sagte ich, so freundlich ich konnte, »ich weiß nicht, ob Madame de Guise diesem Verkauf zustimmen wird, die Großen dieses Reiches hängen sehr an ihrem Landbesitz. Doch seid versichert, daß ich jedes Argument aufführen werde, damit sie Euch zufriedenstelle. Trotzdem …«, fuhr ich fort.
»Trotzdem?« fragte sie, da ich meinen Satz unvollendet ließ.
»Nun, mich dünkt«, sagte ich zaudernd, »wenn Ihr der Herzogin von Guise ein Zeichen Eurer besonderen Freundschaft geben wolltet, könnte dies ihren Sinn günstig und Eurem Wunsch empfänglicher stimmen, wenn man zur Sache kommt.«
Sie überlegte, aber nur kurze Zeit.
»Monsieur«, sagte sie lächelnd, »ich ahne, daß Eure Gesandtschaft gelingen wird: Ihr kennt die Frauen. Louison«, rief sie, »bring meine Schatulle.«
Besagte Schatulle hätte besser Truhe geheißen, war sie doch so groß und schwer, daß zwei kräftige Jungfern sie nur mit Mühe tragen und vor Madame de Montceaux niederstellen konnten, die einem Säckchen ein Bund mit vier seltsam gezackten Schlüsseln entnahm, um den Deckel zu öffnen.
Endlich schlug sie ihn auf, und, schöne Leserin, da Sie nicht sehen können, was ich sah, hören Sie! Die Truhe war in zwei Fächer unterteilt, deren eines nach meiner Schätzung – möge die Hölle mich verschlingen, wenn ich lüge! – gut hundert Diamanten enthielt und das andere wohl an tausend Perlen. Sankt Antons Bauch! Wie diese Perlen schimmerten! Und die Diamanten blitzten und funkelten!
»Wählt aus«, sagte Gabrielle.
»Aber Madame!«
»Wählt, Monsieur!« sagte Gabrielle in einem Ton, der Gehorsam erheischte.
Es wäre, glaube ich, eine Beleidigung der freigebigen Dame gewesen, hätte ich mich für eine Perle statt einen Diamanten entschieden, und ebenso ungehörig
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