Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
bei besagten ehemaligen Günstlingen bekräftigen sollte, daß die erwähnte Sache das
non plus ultra
1 sei.
»Monsieur de Rosny«, fuhr er fort, »Ihr interessiert Euch doch für die Artillerie, wollt Ihr mich nicht begleiten?«
Und Rosny bejahte und fragte: »Kommst du mit, Siorac?«
Doch ich konnte nicht, denn der König erwartete mich in seinem Zelt. Auf dem Weg dorthin mußte ich aber noch einen Streit zwischen Pissebœuf und den Berittenen unserer Eskorte schlichten, die seinem Befehl unterstanden. Ich brauchte eine gute halbe Stunde, die Gründe beider Parteien anzuhören und, nachdem ich sie gehört, den Zank beizulegen. Und als ich endlich ins königliche Zelt kam, fand ich alle dort Anwesenden ganz aufgelöst und ihre Gesichter verzerrt vor Kummer: Monsieur de Saint-Luc war in einem Graben tödlich getroffen worden, ein Arkebusenschuß von den Wällen hatte ihn gefällt. Und da Monsieur de Rosny, wachsbleich, zum König sprach, trat ich näher und sah, daß der König völlig außer sich war, bald Saint-Luc beweinte und pries, bald Rosny rüffelte, daß er sich ohne Not in solche Gefahr begeben hatte, er, dessen Lebenso kostbar war für das Reich und für die Fortführung des Krieges.
An jenem Tag sah man Tränen in aller Augen, am nächsten Tag aber, als man erfuhr, wen der König zum neuen Großmeister der Artillerie ernannt hatte, traten bei den hohen Offizieren Zorn und Groll an die Stelle der Trauer.
»Schockschwerenot, Siorac!« sagte Marschall Biron, und seine harten, tiefliegenden Augen stoben Funken, »habt Ihr das Neueste gehört? Monsieur d’Estrées ist Großmeister der Artillerie geworden! Der größte Trottel! Wahrhaftig, das kommt davon, daß wir dieses Weibsbild in seinem goldenen Zelt hier mitten unter uns haben! Wir dienen dem König, und sie bedient sich seiner, um ihre unverschämte Familie zu versorgen! Man sollte diese ganzen d’Estrées in einen Sack stecken und in der Seine ersäufen!«
Montigny war nicht so ausfallend, doch genauso bitter, als ich ihn traf.
»Ich bitte Euch, Siorac, was ist das für eine Wahl? Monsieur d’Estrées, der Dümmste von allen!«
»Hm!« sagte ich, »so dumm ist er nicht!«
»Ach, Siorac! Ihr wißt wie ich, daß er für dieses Amt zu blasse Fingernägel hat und daß ihm das Herz in die Hosen rutscht, wenn es darum geht, einen Fuß in die Gräben zu setzen. Zum Glück hat der arme Saint-Luc seine Hauptleute gut ausgebildet. Sonst könnte man diese Belagerung vergessen! Beim Donner, ich könnte rasen! Werden die Stellen neuerdings erschlafen? Und regiert uns jetzt ein Weiberarsch?«
Der Konnetabel, der alt und besonnen war, und Mayenne beließen es bei einem schiefen Maul und einer steinernen Miene. Und was Monsieur de Rosny anging, so kommentierte er die Sache nur mit Spott.
»Einen großen Artilleristen haben wir an dem! Den wird es nicht oft in die Gräben ziehen«, meinte er nur. »Und je mehr man diesem Weib gibt, desto mehr will sie.«
Am selben Nachmittag ließ das liebliche Ziel dieses großen Grolls mich in jenes »goldene Zelt« rufen, das Biron freilich viel weniger ein Dorn im Auge gewesen wäre, hätte es der eigenen Herzensdame als Schrein gedient, für die er im März seinen Ball veranstaltet hatte.
Ich mußte einige Minuten in einer Art Vorzimmer warten,das am Eingang abgetrennt war, und als ich durch die Zeltwände dem Gezwitscher der Dienerinnen Gabrielles lauschte, vermerkte ich nicht ohne Belustigung, daß in ihrem Geplapper jedes zweite oder dritte Wort »die Frau Herzogin« war.
»Ha, Monsieur de Siorac!« sagte Gabrielle, als ich ihr kniefällig die Hand küßte, »wie freue ich mich, Euch mit eigenem Mund millionenmal zu danken, daß Ihr mir so gute Dienste geleistet habt beim Kauf von Beaufort, damit ich das schöne Stück Land für hundertzwanzigtausend Ecus bekam anstatt für hundertvierzigtausend, die man zuerst dafür forderte.«
»Aber Frau Herzogin«, sagte ich (denn ich spürte, daß ihr das Herzogtum noch so neu war, daß sie viel lieber mit »Her zogin « als mit »Madame« angeredet werden wollte), »Ihr hattet die außerordentliche Güte, mir dies schon nach Paris zu schreiben, und ich bin mehr als überwältigt von der Huld, mit welcher Ihr mir Euren Dank mündlich zu wiederholen geruht.«
»Aber, Monsieur«, sagte sie mit entzückendem Lächeln, »damit lasse ich es nicht bewenden. Ich wäre sehr undankbar, wenn ich nicht versuchte, Euch meinerseits bei Seiner Majestät zu dienen, sofern Ihr mir sagen
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