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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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voraus, und er brauchte auf seinem Marsch in die Bretagne kein einziges Mal das Schwert aus der Scheide zu ziehen. Je weiter er vorankam, desto mehr Städte schickten, noch bevor er sie erreichte, ihre Abgesandten, ihn untertänigst zu bitten, er möge sie gnädigst als seine ergebenen Untertanen anerkennen. Um ein Beispiel von Hunderten zu nennen: Der König war gerade erst in Angers, da ergab sich ihm auch schon Douarnenez.
    In Angers war es auch, wo er den Besuch der Herzogin von Mercœur erhielt – oder, wie sie nach ihrem ruhmreichen Vater hieß, der Prinzessin Marie von Luxemburg –, die der Herzog von Rennes aus tapfer zum König entsandt hatte, auf daß sie mit Seiner Majestät eine Einigung aushandle. Da der König vor seinem Aufbruch in Paris gesagt hatte, er werde Mercœur »mit Gewalt oder mit Liebe« in die Knie zwingen, war der Herzog gut beraten gewesen, ihm seine Frau zu schicken, obwohl die Prinzessin, die trotz ihrer sechsunddreißig Jahre noch immerschön war, sich nicht mit Gabrielle vergleichen konnte. Der König empfing sie sehr gnädig, mit Scherz und Spaß, und kam mit ihr überein, daß der Herzog für die Summe von vier Millionen zweihundertfünfundneunzigtausend Livres auf sein Gouvernement Bretagne verzichten sollte. Doch da der Herzog sich gleichzeitig verpflichtete, seine einzige Tochter mit dem kleinen César zu vermählen, dem Söhnchen des Königs und Gabrielles, stand zu hoffen, daß dieses unerhörte Vermögen eines Tages den Bourbonen zufallen werde, denn das Kindlein war legitimiert worden und bereits Herzog und Pair von Frankreich.
    Ich sah Marie von Luxemburg in Angers des öfteren, sie hatte wunderschöne blaue Augen, aber in einem gelblichen Gesicht. Und war es nun die unglückliche Hautfarbe oder der verkniffene Ausdruck ihres Mundes, ich muß gestehen, daß sie mir wenig gefiel: Ich fand sie zu dünkelvoll und erbittert auf ihr Interesse bedacht. Vermutlich mochte der König sie auch nicht besonders, und ich will sagen, warum.
    Eines Tages traf sie Seine Majestät mit einer Schere in der Hand, im Begriff, dem kleinen César die Haare zu schneiden, und sie fing an zu lachen.
    »Ha, Sire!« sagte sie spöttisch, »ist das denn möglich? Ein großer König wie Ihr spielt den Barbier?«
    »Warum nicht, liebe Cousine?« entgegnete der König. »Ich balbiere hier alle. Habe ich es unlängst nicht gut gemacht bei Herrn von Mercœur, Eurem Gemahl?«
    Der Hof lachte weidlich über den guten Hieb und ich zuallererst, hatte ich doch an tausend Kleinigkeiten bemerkt, daß die Dame habgierig und raffsüchtig war wie keiner guten Mutter Kind in Frankreich. So hatte ich die Gerissene stark im Verdacht, daß sie in dem Wissen, daß der König lieber zahlte, als das Blut seiner Untertanen in brudermörderischem Kampf zu vergießen, ihren Mann dahin getrieben hatte, sich seine Unterwerfung mit vier Millionen Livres vergüten zu lassen, die mir, je länger ich darüber nachdachte, desto querer im Halse steckten.
    Ein Jahr später erhielt ich, leider unter sehr traurigen Umständen, den Beweis, daß die Dame ihre Gier und Habsucht in einem Maße übertrieb, wo alle Scham aufhörte. Im April 1599 wurde die arme Herzogin von Beaufort, die schwanger war, plötzlich von Krämpfen ergriffen, die ihr das Bewußtsein nahmen, und sie lag drei Tage wie tot. Am dritten Tag nun, als derAusgang keinen Zweifel mehr offenließ, auch für die Ärmste selber nicht, die wieder zur Besinnung kam und beklagte, daß ihr liebliches Gesicht ganz verschwollen und von ihrem Leiden entstellt war, und Madame de Sourdis, Madame de Guise und Madame de Nemours ihr zu Häupten weilten und heiße Tränen weinten, geschah es, daß Madame de Mercœur, einen Rosenkranz in den scheinheiligen Händen, an das Bett trat und die Sterbende mit frommen Tröstungen zu überschütten anhob, sie ermahnte, sich allen Heiligen und Engeln anzubefehlen, und im gleichen Zuge wie aus Mitgefühl ihre Hand nahm und ihr unmerklich alle Ringe von den Fingern zog und in ihrem Rosenkranz versteckte. Zum Glück wurde die Schlange von einer Kammerfrau ertappt, die Madame de Sourdis unterrichtete. Diese zwang sie, ihre Beute augenblicklich herauszugeben, und sagte ihr zornig, sie werde dem König für den Raub geradestehen müssen.
    Meine kleine Herzogin, die mir diese schreckliche Geschichte erzählte, wobei ihr noch in der Erinnerung hieran Tränen über die Wangen rollten, sagte auch, die arme Gabrielle, die kaum mehr sprechen konnte, aber noch

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