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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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die ihm ebenfalls dienen. Zum Beispiel Monsieur de Rosny.«
    »Und Madame?«
    »Ich habe Madame in der Tat zweimal in diesem Jahr gesehen. Das erstemal während ihrer Krankheit, das zweitemal, als sie Monsieur de Rosny und mich zum Souper lud.«
    »An ihrem Krankenbett sollen einige Hugenotten Psalter gesungen haben.«
    »Das ist wahr.«
    »Habt Ihr mitgesungen?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Man berichtete mir das Gegenteil.«
    »Dann hat man Euch falsch berichtet, Monsieur!« sagte ich aufgebracht. »Und wenn Ihr mir den Namen dieses unverschämten Lügners nennen wollt, stopfe ich ihm seine Lügen in den Rachen!«
    »Aber Monsieur, Monsieur, Monsieur!« rief Pfarrer Courtil erblassend. »Bitte, beruhigt Euch! Ich glaube Euren Worten.«
    »Den Namen!« fauchte ich, indem ich aufstand, und gab mich weit zorniger, als ich es war.
    »Den darf ich nicht sagen«, versetzte Courtil, auf seinem Sitz hin und her rutschend. »Die Person ist durch das Beichtgeheimnis geschützt. Herr Marquis, es tut mir sehr leid, Euch derart beunruhigt zu haben. Wenigstens aber bin ich in meinem Gewissen nun voll befriedigt, und wenn Ihr wieder an Eurem Betpult Platz nehmen wollt, erteile ich Euch jetzt die Absolution.«
    Was er tat und ich, das gestehe ich, nicht in gehöriger Reue vernahm, meine Gedanken waren ganz woanders.
    »Herr Pfarrer«, sagte ich, nachdem er geendet, »jetzt wüßte ich gerne, wer Euch zu den Fragen veranlaßte, die Ihr mir stelltet?«
    »Wer sonst als mein Bischof«, sagte Pfarrer Courtil und schlug die Augen nieder.
    »Was?« sagte ich. »So weit sind wir also! Die Kirche Frankreichs läßt sich zu Inquisitionen nach spanischem Muster herbei, und das, nachdem Philipp II. besiegt ist.«
    »Ha, Herr Marquis!« rief Pfarrer Courtil, »versteht doch bitte, daß unsere unglückliche Kirche neuerdings ungemein schmerzlichen Prüfungen ausgesetzt ist. Wißt Ihr, daß der Papst auf die Nachricht hin, was zu Nantes beschlossen wurde, aufschrie: ›Das ist meine Kreuzigung! Dieses Edikt ist ein solches Unheil, wie man es sich gar nicht vorstellen konnte. Es erlaubt das Schlimmste auf der Welt: Gewissensfreiheit!‹«
     
    Meine inquisitorische Einvernahme durch den guten Pfarrer Courtil war aber nur eine der Blasen, die in der Folge den brodelnden Kesseln in Kirchen, Klöstern, Sakristeien, in der Sorbonne und sogar im Parlament, unserem Hohen Gerichtshof, entstiegen, wo plötzlich eine Reihe Rebellen aufstanden – angefangen mit Präsident Séguier –, die alle schäumten und sagten, dieses unheilvolle Edikt werde nie und nimmer von ihnen registriert werden und also toter Buchstabe bleiben. Was die Prediger anging, so wagten sie keine offene Parteinahme gegen den König, um nicht aus Paris und aus ihren guten, einträglichen Pfarreien verbannt zu werden; sie verstärkten aber, ohne das Edikt ausdrücklich zu erwähnen, ihre Angriffe gegen die Ketzer. Bald versuchten einige das Volk aufzuhetzen, indem sie in deutlicher Anspielung auf die Bartholomäusnacht zu verstehen gaben, daß Frankreich alle fünfundzwanzig Jahre »eines gutenAderlasses« bedürfe, um seinem Leib das schlechte Blut abzuzapfen; bald bemühten sie sich, die Trümmer der Liga neu zu beleben und den Herzog von Mayenne anzustacheln, daß er die Führung übernehme, was er nicht wollte; bald wagten sie sogar, den König anzugreifen, natürlich in verdeckten und scheinheiligen Reden, und sagten, daß »ein Heringsfaß immer nach Hering stinkt«, diesen Ausdruck, den der Leser, auf mich angewendet, schon kennt, aber doch nur als zärtliche Neckerei seitens meiner kleinen Herzogin.
    Doch es gab Schlimmeres. Schon schwirrten Gerüchte durch Hof und Stadt, daß in der Provinz gewisse Burschen mit einem Kopf voll falschen Glaubenseifers sich nach Paris aufmachten in dem Vorsatz, sich auf einen Schlag den Himmel zu eröffnen: durch Ermordung des Königs.
    Der erbitterte Widerstand des Parlaments gegen das Edikt – dessen Seele Séguier war, weshalb Henri ihn später als französischen Gesandten nach Venedig verbannte, ein goldenes Exil, das ihm sehr sauer schmeckte –, dieser Widerstand, sage ich, animierte nun auch die Pariser Fronde zu giftigen Sprüchen, Pasquills, Streit- und Flugschriften, worauf die guten Franzosen ja versessen sind, denn wenn sie ihre Könige auch lieben, finden sie sich doch nie gutwillig ab mit ihrer Macht. Diese Umtriebe, die Henri um so mehr beunruhigten, als er immer deutlicher merkte, wenn er nicht dagegen einschritte, würden die

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