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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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stand, sah ich ihn doch nur einmal im Jahr, wenn ich beichten ging und ihm mein Scherflein entrichtete.
    »Die Sache ist einfach die«, sagte lachend Miroul, »es geht ihm um seine Talerchen und Eure Absolution.«
    »Ich weiß nicht recht. Für gewöhnlich wartet er, bis ich komme, und fordert mich nicht dazu auf. Es ist doch sonderbar!«
    Und wirklich schien der Gute, als er kam, mir seltsam verlegen. »Schien«, sage ich, denn seinem Äußeren nach gehörte er nicht zu jenen, die sich groß mit Sorgen und Skrupeln belasten. Sein breites Gesicht glänzte rot wie Schinken, und seine kräftigen Kiefer dünkten mich besser geeignet, Fleisch zu malmen, als Gebete zu memorieren.
    Zuerst machte er mir eine Reihe Komplimente, die ich mit gelassener Miene entgegennahm, wenn auch innerlich einigermaßen gespannt.
    »Herr Marquis«, sagte er endlich, »Ostern naht, und da ich weiß, daß Ihr zu dieser Jahreszeit zu beichten pflegt, wage ich zu fragen, ob es dabei bleibt?«
    »Wie?« sagte ich verdutzt. »Dabei bleibt? Wieso sollte es nicht dabei bleiben?«
    Bei meinem forschen Ton errötete Pfarrer Courtil und hob beschwichtigend die gedrungenen Hände.
    »Nun«, sagte er, »das war eher so eine Redensart. Ich hege deshalb eigentlich keine Zweifel, Herr Marquis, und bitte mein Ungeschick zu entschuldigen. Ehrlich gestanden, bin ich derzeitin großer Verwirrung und weiß nicht mehr, wer in heutigen Zeiten noch guter Katholik ist und wer nicht.«
    Da also lag der Hase im Pfeffer.
    »Herr Pfarrer, seid ohne Bange«, sagte ich. »Wie Ihr mich letztes Jahr kanntet, bin ich auch dieses Jahr. Und da Ihr einmal hier seid, und damit Ihr nicht noch einmal kommen müßt, laßt uns in meine Betstube gehen, und ich beichte Euch gleich heute.«
    Ich war auf höfliche Abwehr gefaßt, Pfarrer Courtil indes zeigte nichts dergleichen und ließ sich auf mein Anerbieten so beflissen ein, daß ich, während ich in meiner Betstube die Leier meiner Sünden hersagte – immer die gleichen, um es dir gar nicht zu verheimlichen, Leser –, mir den Kopf darüber zerbrach, was wohl der eigentliche Zweck seines Besuches war. In dem Moment machte ich mir klar, daß ich, hätte ich nicht einen Priester vor mir gehabt, sondern mein eigenes Gewissen, mich noch ganz anderer Fehler bezichtigen müßte. Anstatt zum Beispiel zu bereuen, daß ich der Fleischeslust außerhalb der Ehe nachgegeben (diese Reue war reine Routine), hätte ich meine Gewissensbisse gestehen müssen, daß ich meiner Angelina nicht öfter schrieb, wenn ich in der Fremde war, und daß ich sie, wenn ich in Paris weilte, nicht so häufig besuchte, wie ich konnte.
    Nachdem ich meine Beichte abgelegt hatte, beobachtete ich wieder einmal, daß eine erwartete Überraschung denn doch erstaunt, wenn sie eintritt. Und diese war allerdings stark: Pfarrer Courtil erteilte mir nicht die Absolution. Statt dessen legte er beide Hände flach auf seine Knie.
    »Herr Marquis«, sagte er, »darf ich Euch einige Fragen stellen?«
    »Aber, bitte«, sagte ich etwas frostig. »Und ich werde antworten, wenn es nicht wider meine Ehre geht.«
    »Ganz im Gegenteil«, sagte Pfarrer Courtil. »Herr Marquis, ich hörte, daß Ihr früher der sogenannten reformierten Religion anhingt.«
    »Um genau zu sein«, sagte ich, »wurde ich von meiner Mutter in der katholischen Religion erzogen, von meinem Vater mit zehn Jahren gezwungenermaßen zum calvinistischen Kult bekehrt, und mit zwanzig Jahren beschloß ich, zur mütterlichen Religion zurückzukehren.«
    »Und wart Ihr in den vergangenen zwanzig Jahren versucht, rückfällig zu werden?«
    »Nein.«
    »Herr Marquis, habt Ihr das Buch von Duplessis-Mornay über die Messe gelesen?«
    Vielleicht erinnert sich der Leser, daß Duplessis-Mornay als der »Papst« der Hugenotten galt, ein Beiname, den er allerdings mit Abscheu von sich gewiesen hätte.
    »Nein.«
    Ich sah ihn so blauäugig an, wie ich konnte.
    »Warum?« fragte ich. »Muß man es lesen?«
    »Hütet Euch!« rief Pfarrer Courtil erschrocken und stieß beide Hände vor, wie um einen so teuflischen Gedanken abzuwehren. »Wenn Ihr es gelesen hättet, könnte ich Euch jetzt nicht die Absolution erteilen.«
    Da haben wir’s, dachte ich. Ich werde einer Art Inquisition unterzogen! Und das von meinem Pfarrer!
    »Herr Marquis«, fuhr er nach kurzem Schweigen fort, »habt Ihr regelmäßigen Umgang mit Hugenotten?«
    »Ich diene dem König«, sagte ich lächelnd. »Ich kann also nicht verhindern, den Hugenotten zu begegnen,

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