Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
bei Bewußtsein war, habe es deutlich gespürt, als ihre Tante ihr die Ringe wieder ansteckte – von denen sie sich nicht einmal auf dem Sterbebett hatte trennen mögen. Sie habe ihrer Verwandten einen dankbaren Blick gesandt und ein »Danke« geflüstert. Wenig später habe sie abermals nach einem Spiegel verlangt und, indem sie hineinsah, mit matter Stimme gesagt, wenn sie ihre Schönheit verloren habe und den König, so sei es besser, auch das Leben zu verlieren. Hierauf wurde sie bewußtlos, und was man auch unternahm, es konnte sie nichts mehr beleben.
Manche sagten natürlich, sie sei vergiftet worden – nichts auf der Welt kann die Franzosen ja abhalten, draufloszuschwatzen, auch wenn sie gar nichts wissen. Doch ich habe Fogacer und die anderen Ärzte befragt, die die Unglückliche behandelt hatten, und denke hiernach, daß das Leiden, das sie dahinraffte, mit ihrer Schwangerschaft zusammenhing, denn es war nicht selten der Fall, daß bei Schwangeren Konvulsionen und schreckliche Magenkrämpfe auftraten und jähe Schwellungen ihr Gesicht entstellten. Wenige Monate vor Gabrielle war auf die gleiche Weise die schöne Louise de Budos, die Gattin des Konnetabels, gestorben. Ach, Leser! Welch ein Jammer, wenn die Frucht derLiebe, die man für eine Frau hegt, sie umbringt in der Blüte und Schönheit ihrer frühen Jahre.
Doch um auf den Frühling 1598 und auf die Bretagne zurückzukommen, so wollte ich sie nicht verlassen, ohne sie bereist zu haben, und fand sie überall so schön, wie es ihrem Ruf entsprach, besonders an den Küsten, der wilden im Norden, der milden im Süden. Wie ich auf meinen Ritten beobachtete, hingen die Edelleute sehr an ihrem Land, verschmähten höfische Pracht und lebten in guter Verbundenheit mit ihren Bauern, mitunter nicht viel reicher als diese, die in manchen Gegenden völlig elend sind, ihren Priestern aber dennoch fromm ergeben. Gegenüber Fremden, Franzosen meine ich (deren Sprache nur die wenigsten sprechen), sind sie ruppig und ungehalten; doch kennt man sie besser, gutmütig und gerade, wenn auch oft zur Schwermut neigend. Von allen bretonischen Städten erschien mir Vannes zwar nicht als die schönste, so doch als die charmanteste im Kranz ihrer Wälle an einem Gewässer voll lachender Inseln; sogar die Luft, die man dort atmet, ist von unbeschreiblicher Süße wie sonst nirgends in Frankreich.
Mitte April kam ich nach Nantes, wo der König weilte, und fand den Hof in hellster Aufregung, weil Seine Majestät soeben ein Edikt erlassen hatte, das den Hugenotten volle Gewissensfreiheit gewährte (die Freiheit der Kultausübung war auf zwei Städte beschränkt), ihnen den Zutritt zu öffentlichen Ämtern zusicherte sowie an hundert befestigte Plätze. Offen gestanden, glich dieses Edikt fast wortwörtlich demjenigen meines geliebten Herrn und Königs Heinrich III., nur mit dem Unterschied, daß es seinerzeit das Papier nicht wert war, auf dem es geschrieben stand, weil der letzte Valois gar nicht über die erforderliche Macht gebot, es in Geltung zu setzen, während man nun spürte, daß unser Henri, der Überwinder der sogenannten Heiligen Liga, Sieger über den Spanier und unumstrittener Herr im Reich, es einhalten werde mit fester Hand. Was mich angeht, so sage ich unumwunden, mögen einige meiner Leser mich auch getrost dafür schmähen: Für mich ist dieses Edikt von Nantes ein Monument der Weisheit und Toleranz und das bedeutendste dieses Jahrhunderts. Jawohl! Und wäre ich reich genug, würde ich das Schloß, wo es unterzeichnet wurde, mit Gold umkränzen.
Gewiß, ich hatte mich mit der Zeit an die katholische Religion gewöhnt und hoffe, daß ihre »unendlichen Mißbräuche«,wie der Dichter La Boétie sagte, eines Tages »abgestellt« werden. Und trotzdem habe ich die Jacke nicht gewendet. Das Hugenottentum ist meinem Herzen von Kind auf mit allen Fibern eingewachsen, und ich fühle mich unaussprechlich glücklich, daß die Verfolgten nun aufhören dürfen, Verfolgte zu sein, und daß dieses mit dem Edikt verheißene Morgenrot des Friedens nach den entsetzlichen Wirren unserer Religionskriege endlich an Frankreichs Himmel erglüht.
Ich war noch keine vierundzwanzig Stunden wieder in Paris, als der Herr Pfarrer Courtil anfragen ließ, ob ich ihn empfangen wolle. Und gemäß meiner Antwort, daß ich ihn um drei Uhr gern bei mir sähe, erwartete ich ihn, indem ich mich fragte, was wohl hinter diesem ungewohnten Schritt stecken möge, denn obwohl ich mich gut mit ihm
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