Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
ebenfalls in Hitze geratenen Hugenotten erneut zu den Waffen greifen, aber diesmal gegen ihn – diese Umtriebe setzten sich durchs ganze Frühjahr fort, das sich übrigens eher winterlich anließ, mit Wind, Sturm und Regen, was viel Husten und Schnupfen und, als der Sommer kam, eine spärliche Obsternte zur Folge hatte. Allerdings war ich in diesem Sommer nicht in Frankreich, denn Henri schickte mich als Sondergesandten zu Philipp II. von Spanien, doch, wie man sich denken kann, natürlich nicht aus den Gründen, die Präsident Séguier vom Hof entfernten.
Der Frieden mit Spanien hatte in Frankreichs Flanke einen Dorn hinterlassen: die Affäre der Markgrafschaft Saluces oder Saluzzo, die der Herzog von Savoyen sich zur Zeit der Generalstände in Blois heimtückisch einverleibt hatte, damals im Jahre 1588, als die Macht und sogar das Leben Heinrichs III. in größter Gefahr waren. Wir hatten seinerzeit aufgeheult vorEmpörung. Doch in den darauffolgenden zehn Jahren waren unsere Zähne so stark beschäftigt, uns selbst zu zerfleischen, daß der Herzog von Savoyen, ohne jede Furcht vor unserem Biß, sich taub stellte und die Markgrafschaft unter seiner Tatze behielt. Nach der Rückeroberung von Amiens brachten unsere Unterhändler den Fall bei den Friedensverhandlungen zu Vervins zwar zur Sprache, doch da man ihn nicht zu lösen wußte, schob man ihn dem Schiedsspruch des Heiligen Vaters zu. Dem war aber dieser Zankapfel alles andere als willkommen, und klüger als der Schäfer Paris, lehnte er jegliche Entscheidung ab. Gewiß war der Herzog von Savoyen im Vergleich mit dem König von Frankreich ein Zwerg. Trotzdem schrak Clemens VIII. vor diesem Zwergenkönig mit seinem streitsüchtigen Wesen zurück, denn sein Herzogtum lag den päpstlichen Staaten allzu nahe. Und außerdem war Philipp II. sein Schwiegervater.
Daraus ergab sich meine Mission: Wir wollten erreichen, daß Philipp II. in seiner derzeitigen Schwäche, gichtkrank, halb erblindet und finanziell ruiniert, seinem Schwiegersohn – da er ihn bei einem Krieg gegen Frankreich nicht unterstützen konnte – ins Gewissen rede, Henri die strittige Markgrafschaft friedlich zurückzugeben oder aber ihn durch Abtretung einiger Grenzgebiete wenigstens zu entschädigen. Gleichviel, ob meine Mission nun scheiterte oder nicht, würde sie jedenfalls erweisen, ob man zum Schwert greifen müßte, um den Herzog zur Herausgabe zu zwingen. Zum erstenmal, seit ich in königlichem Dienst stand, haftete meiner Mission nichts Geheimes an, im Gegenteil, gerade ihre Öffentlichkeit sollte dem Geier von Savoyen zur Warnung dienen.
Nachdem ich Frankreich in ganzer Länge durchmessen und seinen Verfall und sein Elend mit eigenen Augen gesehen hatte, überquerte ich die Pyrenäen, um mich nach Madrid zu begeben, und das mit ungewohnt zahlreichem, glanzvollem und bestens gerüstetem Gefolge als auch hinreichenden Mitteln zu dessen Unterhalt. Ich hatte den Chevalier bei mir, ebenso Ehrwürden Abbé Fogacer, den ich mit seiner eifrigen Zustimmung und mit Hilfe des Königs dem Herrn Monseigneur Du Perron abspenstig gemacht hatte, damit er, zumindest nominell, meinen Kaplan abgebe (denn wer hätte mich in Spanien ernst genommen ohne einen Kaplan?), in Wirklichkeit aber meinenDolmetsch. Nicht, daß ich nicht imstande gewesen wäre, Spanisch zu verstehen und zu radebrechen, aber ich hatte in Italien beobachtet, daß ein Dolmetsch einem den kostbaren Vorteil bietet, seine Antwort länger überlegen zu können.
Zwei Meilen vor Madrid kam Don Fernando de Toledo, einer der Kammerherren Felipes II. (da er künftighin ja bei seinem iberischen Namen zu nennen sein wird), mir samt zahlreicher Suite entgegen, um mich im Namen seines Herrn mit aller spanischen Würde und Höflichkeit willkommen zu heißen. Und während er hierin kein Ende fand, erkannte ich zu seiner Rechten voll Freuden das lange, blasse Gesicht, die dunklen Augen und geschweiften schwarzen Brauen von Don Luis Delfín de Lorca. Weil aber der Empfang des Kammerherrn mich bei aller Komik so ungemein gestelzt und hoffärtig anmutete, zügelte ich meine französische Lebhaftigkeit, und anstatt Don Luis um den Hals zu fallen, wie ich es in Frankreich getan hätte, begnügte ich mich, ihm zuzuzwinkern und, sobald ich in seine Nähe gelangte, ins Ohr zu raunen, daß ich ihn gern bald im Vertrauen sprechen würde.
Don Fernando de Toledo sagte, er habe für mich und meine Eskorte eine Wohnung im Palast vorbereitet, doch bekäme ich Felipe
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