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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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vor Grauen und starrte wortlos in das bleiche Antlitz von Don Luis, dem die Lippen zitterten und der sichtlich Mühe hatte, Zorn und Abscheu zu bemeistern.
    »Vergebt mir«, sagte er endlich in ruhigerem Ton, »doch seit zwanzig Jahren ersticke ich daran, am Hof die Verehrung und Unterwürfigkeit zu heucheln, die dieses Ungeheuer erheischt. Gott sei Dank seid Ihr Franzose. Einem Spanier, und wäre es mein eigener Bruder, hätte ich nicht ein Viertel von dem sagen dürfen, was ich Euch sagte, denn wüßte er auch, daß ich in jedem Punkt die Wahrheit spreche, würde er mich dennoch für wahnsinnig oder vom Teufel besessen erklären. Ich weiß nicht, ob Ihr Felipe sehen werdet. Offen gestanden, ich bezweifle es, aber ich möchte, daß Ihr, mein Freund, wißt«, fuhr er fort, indem er mir seinen Arm um die Schulter legte, »was immer er Euch sagen, was immer er Euch auch versprechen möge hinsichtlich seines Schwiegersohns und der Markgrafschaft Saluzzo, der Betrüger wird nichts davon halten. Ob Freunde, Feinde, Günstlinge oder Diener – alle hat er seit je verraten.«
    In dem Moment klopfte es, und weil ich mit Don Luis allein war und dieser mich zur Vorsicht ermahnte, öffnete ich die Tür nur einen Spaltbreit und erblickte einen winzigen Pagen, den ich zuerst für ein Mädchen hielt.
    »Señor Marqués«,
fragte er mit heller, singender Stimme,
»puede Usted acoger a mi amo el Gran Chambelán Don Cristóbal de Mora?«
    »Cuándo?«
    »Ahora, Señor Marqués.«
    »Con gusto y honor.«
1
    Hierauf wollte ich ihm eine Münze in die Hand drücken, doch er wies sie mit stolzer Geste zurück, indem er mir ein strahlendes Lächeln schenkte. Seiner dunklen Haut und den Augen nach dünkte er mich eher maurisch denn spanisch.
    »Wer ist dieser Don Cristóbal?« fragte ich meinen Freund. »Und inwiefern steht er über Don Fernando de Toledo?«
    »In nichts«, sagte Don Luis, »nur daß er ein Günstling ist, doch schien mir seine Gunst jüngst im Sinken begriffen. EinGlück für ihn, daß die Gesundheit seines Herrn noch schneller verfällt, sonst würde ihn womöglich noch das Los des Antonio Pérez ereilen.«
    »Und was für ein Mensch ist er?«
    »Eine Art Nachtigall. Wenn Felipe nicht an seinen eigenen Tod oder an den Tod anderer denkt, will er Röslein und Vögelein. Künstelei verträgt sich bei ihm mit dem Makabren.«
    Hiermit umarmte mich Don Luis und ging, sicherlich, um nicht von Don Cristóbal bei mir angetroffen zu werden.
    Als Don Cristóbal endlich erschien – denn er ließ eine reichliche halbe Stunde auf sich warten, in Spanien geht eben alles sehr langsam –, fand ich ihn nicht viel anders als Don Fernando gekleidet, da Schwarz oder doch Tiefdunkel nun einmal die Farben an diesem Hof waren, aber sein Gesicht, das poliertem Marmor glich, seine liebenswerten Manieren und besonders seine Stimme, die an das Geräusch kleiner Glaskugeln gemahnte, die in einem Ölbad aneinanderstoßen, schienen mir den Beinamen zu rechtfertigen, den Don Luis ihm gegeben hatte. Dennoch vereinten sich bei Don Cristóbal Rabengefieder und Nachtigallenschlag mit etwas Salbungsvollem, das hierorts die Regel zu sein schien, wo man mehr Mönche und Priester antraf als an jedem anderen Hof.
    Der Leser kann sich denken, daß Don Cristóbal de Mora nicht der Mann war, Höflichkeitsfloskeln abzukürzen, vielmehr girrte er deren eine gute Viertelstunde lang in reinstem Kastilisch, und ich mühte mich, sie auf französisch zu erwidern, so gut ich konnte, obwohl ich einsehen mußte, daß meine Muttersprache nicht gleichermaßen eloquent war wie die seine noch meine Höflichkeit derart ausgefeilt. Man weiß ja auch, daß wir diese Dinge erst von den Spaniern gelernt haben, den Handkuß bei Damen zum Beispiel, ein charmanter Brauch, finde ich, zumindest wenn besagte Hand sauber gewaschen ist, was nicht immer der Fall zu sein pflegt, nicht einmal bei Prinzessinnen von Geblüt.
    »Mein verehrter Herr Felipe II.«, sagte er endlich nach dieser langen Vorrede, »wünscht Euch augenblicklich zu sprechen, fürchtet er doch, es nicht mehr zu können, wenn er länger wartet, denn er hat diesen gesegneten Ort aufgesucht, um seinen Tod und seine Bestattung vorzubereiten. Seine Majestät fühlte sich schon in Madrid so schlecht und litt Tag und Nacht,daß ich mich ihm zu Füßen warf, um ihn anzuflehen, er möge sich die Reise nicht zumuten, könnte sie ihn doch das Leben kosten. Er indes verwies darauf, daß er dreißig Jahre seines Lebens auf den Bau

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