Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Lustbarkeiten und lieblichen Frauen, von der Phantasie und Anmut jener maurischen Paläste, von denen es, wie man mir sagte, in Spanien so wunderbar schöne gab! Kein Zierat, kein Ornament,nur sture, mürrische Reihung, die an Gefängnis oder Kaserne erinnerte, Orte, die niemand je geschmückt hat, weil dort niemand das Leben liebt. Für mein Gefühl war dieses Bauwerk am ehesten mit einem granitenen Grabstein zu vergleichen, den ein freudenfeindlicher Tyrann in die Vertikale erhoben hatte.
Sobald man mir im Escorial eine Wohnung angewiesen hatte, eine sehr kleine, ehrlich gesagt, die mich aber wenigstens nicht von meinen Gefährten trennte, kam Don Luis zu mir.
»Marqués«, sagte er in freundschaftlichem Ton, »ich hoffe, daß der klösterliche Anblick Eures Gemachs Euch nicht zu sehr entmutigt. Aber Felipe bewohnt selbst nur eine Zelle. Wir denken nun einmal«, fuhr er fort, das »wir« mit ironischem Ernst betonend, »daß der Körper nichts und die Seele alles ist; und wenn wir den Körper recht schinden, gelangt auch die schwärzeste Seele zum Heil, sofern sie nur Mönche, Messen und Reliquien in Reichweite hat.«
»Die schwärzeste Seele?«
»Wißt Ihr, wer rechts von Euch wohnt?« fragte Don Luis mit gedämpfter Stimme.
»Ehrwürden Abbé Fogacer.«
»Und links?«
»Der Chevalier de La Surie.«
»Und unter und über Euch?«
»Meine Gascogner.«
»Wie gut«, sagte Don Luis, indem er an das weit zur Sierra Guadarrama geöffnete Fenster trat und mich heranwinkte. »Die schwärzeste Seele, müßt Ihr wissen«, fuhr er in vertraulichem Ton auf italienisch fort, »weilt in einem Körper, der schon zu Lebzeiten verfault.«
Er sprach mit einem haßvollen Funkeln in den dunklen Augen weiter, das mir den verächtlichen, ironischen Ton erklärte, der mir seit unserem Wiedersehen zu Madrid an ihm aufgefallen war. »Habt Ihr einmal von Don Juan de Austria gehört?«
»Ja. Mein Herr, König Heinrich III., sagte mir einmal, daß er von allen Euren Prinzen der schönste, glanzvollste, tapferste und lebenslustigste war.«
»Kurzum«, ergänzte Don Luis zähneknirschend, »das ganze Gegenteil der schwarzen Seele, deren natürlicher Bruder er war und zum Kain dieses Abel wurde.«
»Ha! Monsieur, mein Freund!« entfuhr es mir, »was sagt Ihr da? Seid Ihr dessen sicher?«
»Völlig sicher! Don Juan weckte die Eifersucht und den Argwohn seines Halbbruders, als er insgeheim seine Vermählung mit Maria Stuart betrieb. Dieser Fehler, wenn es einer war, wurde ihm nicht verziehen. Zuerst ließ die schwarze Seele durch ihren Sekretär, Antonio Pérez, den Vertrauten Don Juans, Escovedo, umbringen. Dann verklagte sie denselben Pérez des von ihr doch befohlenen Verbrechens. Und als die Affäre nicht nach ihrem Willen lief, beschuldigte sie Pérez der Ketzerei und überstellte ihn der Inquisition, Ihr erratet das Ende. Und was Don Juan betraf, so wurde er, zum Dank dafür, daß er Flandern der spanischen Krone erhalten hatte, vergiftet.«
»Ist das wahr?« fragte ich entsetzt.
»Ebenso wahr«, sagte Don Luis, die Stimme abermals senkend, »wie daß die schwarze Seele Don Carlos, ihren eigenen Sohn, vergiften ließ und ihre zweite Gemahlin, Elisabeth von Frankreich. Dabei lasse ich noch die grausigen, aus politischen Gründen befohlenen Massaker in Aragón, in Flandern und in Portugal außer acht – wo der Allerchristlichste König zweitausend Mönche hinmetzeln ließ – und das entsetzliche Autodafé zu Valladolid, mit welchem er seine Herrschaft begann. Bedenkt aber, Marqués, daß er zur selben Zeit Ehebruch mit der Gemahlin seines Freundes, Ruiz Gómez, beging. Was mich angeht, so wette ich«, fuhr Don Luis fort, indem er mich beim Arm faßte, »daß er mit dem Autodafé den Herrgott besänftigen und sich die Vergebung seiner Fleischessünde verdienen wollte. Darin folgte die schwarze Seele getreulich der Spur ihres berühmten Vaters, Karls V., der zu Regensburg die arme Barbara Blomberg seiner Wollust unterwarf 1 und sich danach von seiner Schandtat reinwusch , indem er, Gott zu Gefallen, befahl, die protestantischen Frauen in Flandern lebendig zu begraben … Daß ich, der Freund Don Juans«, fuhr Don Luis mit funkelnden Augen fort, »den Tyrannen nicht eigenhändig erdolcht habe, geschah nicht aus Angst vor dem Tod, sondern weil ich wußte, wenn mein Plan fehlschlüge, würde er meine Kinder umbringen, wie er es mehreren Adelsfamilien antat, die ich namentlich nennen könnte.«
Ich hörte all das wie gelähmt
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