Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
wählte Pissebœuf und Poussevent, und mit Zustimmung von Quéribus vertraute ich den Befehl über die Eskorte Monsieur de La Surie an, der untröstlich war, mich allein in den Wolfsrachen zu lassen, aber durchaus verstand, daß er unter Umständen unser Rückhalt sein könnte, zumal ich ihn reichlich mit Geld ausstattete, damit er Gefälligkeiten der Milizen vom Westtor erkaufen konnte. Endlich, nach weiß ich wie vielen Umarmungen, Schulterklopfen und Küssen von Bart zu Bart, schieden wir, was mich betraf, mit sehr beklommener Brust, und was ihn, mit Tränen am Wimpernsaum.
Als Baron de La Tour den Marquis von Quéribus erblickte, grüßte er nach spanischer Art aufs magerste, was Quéribus noch magerer erwiderte, dann führte er uns, sofort von einem Peloton spanischer Arkebusiere umstellt, durch ein Labyrinth von Gassen (deren Verlauf ich mir dennoch einzuprägen suchte) zu einem großen, sehr ansehnlichen Haus, wo er uns im Oberstock einlogierte.
»Meine Herren«, sagte er hochfahrend und rauh, »diese Etage ist Euer. Es wird Euch an nichts fehlen. Doch versucht nicht, ins erste Geschoß hinunterzusteigen oder auf die Straße zu gelangen. Ihr werdet auf kastilische Soldaten treffen, die Eure Sprache nicht verstehen und Euch nicht durchlassen werden.«
»Monsieur!« rief Quéribus entrüstet, »soll ich hieraus verstehen, daß wir Gefangene sind? Und auch noch bewacht von Spaniern?«
»Nicht ganz, Monsieur«, sagte Baron de La Tour mit äußerster Kälte. »Doch da es sich um Edelleute handelt, die kommen, woher Ihr kommt, und dienen, wem Ihr dient, sind gewisse Vorsichtsmaßregeln geboten, wenigstens bis der Herzog Euch gesprochen hat.«
»Und wann, Monsieur, werden wir den Herzog sehen?« fragte ich im harmlosesten Ton, damit mein lieber Quéribus sich nicht noch mehr aufrege.
»Ja, heute noch, meine Herren«, sagte La Tour und lächelte zum erstenmal, allerdings erschien mir sein Lächeln noch bedrohlicher als seine Schroffheit.
Ich kann nicht sagen, daß die Gemächer, die er uns anwies,schäbig gewesen wären oder der Bequemlichkeiten ermangelten, welche unserem Rang gebührten. Der einzige unstreitige Nachteil war, daß wir nicht hinauskonnten, wovon ich mich überzeugte, kaum daß La Tour verschwand, indem ich ins Treppenhaus hinaustrat, wo ich mich sofort
cara a cara
1 einem Dutzend spanischer Hellebardiere gegenübersah, deren Sergeant mir in seiner Sprache ziemlich artig erklärte, er habe Befehl, uns nicht fortzulassen. Und als ich, um mein Gesicht zu wahren, mich nach Pissebœuf und Poussevent erkundigte, sagte er, sie seien im Marstall und versorgten unsere Pferde, er schicke sie mir nach getaner Pflicht herauf.
Ich kehrte also in unseren goldenen Käfig zurück, und als ich meinen Quéribus, wiewohl stumm vor Zorn, im Begriff fand, mit Hilfe seiner Herren Toilette zu machen, um den Besuch des Herzogs von Guise würdig zu empfangen, beschloß ich, es ihm gleichzutun, und begab mich in mein Zimmer, das eine Ecke des Hauses einnahm und hinten einen Rundbogen hatte, der auf etwas wie einen Turm an der Außenwand deutete, in welchem eine Wendeltreppe zur unteren Etage und vielleicht zum Erdgeschoß führen mochte. Was mich in dieser Idee bestärkte, war die niedrige kleine Tür in besagtem Rundbogen, eine dunkle Eichentür, mit Eisenbändern beschlagen. Ich rüttelte daran, vergeblich, sie mußte also von außen verschlossen sein. Wie schade, dachte ich, daß ich in dieser Lage keinen Sprengstoff zur Hand habe, obwohl ein solcher Radau uns nur die zirka zwanzig spanischen Soldaten auf den Hals gehetzt hätte, die das Gebäude bewachten. Wenigstens war dies die Zahl, die Pissebœuf nannte, als er aus dem Pferdestall heraufkam, indem er auf okzitanisch hinzusetzte, das seien selbst für uns wackere Degen der Lumpen zuviel. Worauf er sich erbot, mir beim Umkleiden als Zofe nützlich zu sein.
Gleichwohl hatte er die Augen überall und sah auch, daß ich oft nach jener erwähnten niedrigen Tür in dem Rundbogen blickte.
»Moussu«, sagte er wiederum auf okzitanisch, »dahinter liegt eine Wendeltreppe.«
»Gewiß«, sagte ich. »Das dumme ist nur, daß die Tür verschlossen ist.«
»Verriegelt oder mit einem Schlüssel verschlossen?« fragte Pissebœuf hellwach.
»Weiß ich nicht.«
»Moussu, das ist nämlich ein großer Unterschied, wie die Frau des Eisenschmieds sagte, als sie in Abwesenheit ihres Mannes sich das Schloß von einem gutgebauten Burschen auffeilen ließ.«
Hiermit ließ er meine
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