Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Das schlimmste aber ist, daß er dank dem Narbigen eine sehr wohlgeborene Dame heiraten konnte, schön wie die Liebe selbst, reich wie Krösus und von vollendeten Manieren.«
»Kennt Ihr sie denn?« fragte ich lächelnd.
»Nein! Aber ihre Familie. Sie ist eine geborene Caumont.«
»Was?« rief ich, »eine Caumont aus dem Périgord?«
»Mag sein.«
»Dann bin ich womöglich um ein paar Ecken mit ihr verwandt? Meine Mutter war doch auch eine Caumont«, sagte ich.
»Das wird Euch auch gerade etwas nützen!« sagte Quéribus grimmig, »Ihr werdet sie kaum zu Gesicht bekommen! Dieser Saint-Paul ist eifersüchtig wie ein Türke, heißt es, und sperrt die Ärmste im Hause ein. Meine Herren«, fuhr er gegen die beiden Edelleute fort, die unser ganzes Gefolge ausmachten, »bitte, setzt wie ich Eure Hüte auf, damit wir sie ziehen können, wenn der Herzog hereintritt, und vergeßt nicht, daß Ihr, wie auch der Marquis de Siorac und ich, dem Herzog als Prinzen von Joinville und angeblichem Nachkommen Karls des Großen, wie es alle Guises von sich behaupten, eine Verneigung schuldet, die nur wenig tiefer zu sein hat als die vor dem König, das heißt, wir beugen den Oberkörper halb hinab, die Hutfedern schweifen zehn Daumen überm Boden. Im übrigen ist unser Gesicht, wenn er eintritt, ernst, und die Augen bleiben so lange gesenkt, bis er das Wort an uns richtet.«
»Und Ihr, Herr Bruder«, raunte ich ihm ins Ohr, »beliebt Euch zu erinnern, wenn der Herzog Euch durch eine Frage oder ein Wort in Verlegenheit bringen sollte, daß Ihr eine Schwäche oder Ohnmacht vortäuscht, damit ich die Dinge übernehmen kann?«
»Beim Himmel!« sagte Quéribus, »wie könnte ich es vergessen? Aber der Teufel soll mich holen, wenn ich begreife, wie Ihr bei Euren Missionen mit allen solchen Aufregungen zurechtkommt!«
In dem Augenblick flog krachend die Tür auf, und Baron de La Tour erschien.
»Meine Herren! Der Herzog!« rief er mit schallender Stimme.
Hierauf stellte er sich neben die Tür, entblößte das Haupt, beugte den Oberkörper halb vor, genau wie Quéribus gesagt hatte, hielt die Augen gesenkt und die Hutfedern zehn Daumen überm Fußboden. Und eilends taten wir das gleiche.
»Meine Herren!« sagte eine näselnde, mir völlig unbekannte Stimme, »ich grüße Euch!«
Ich hob die Augen. Es war der »Herzog von Rethel«! Beim Ochsenhorn, welch würdelose Übertölpelung! In welche Pfanne wurden wir gehauen! In welch widerwärtigem Mehl gewälzt! Ich sah meinen Quéribus erbleichen und erröten, und einen Moment schien es, als wollte er nach seinem Degenknauf greifen, was freilich Torheit gewesen wäre, denn der »Herzog« hatte starke Begleiter und wartete, glaube ich, nur auf eine Drohgebärde oder ein ärgerliches Wort unsererseits, um uns vollends zu braten.
Zum Glück entsann sich Quéribus meines Vorschlags und wählte eine Ohnmacht, die er hervorragend mimte, mit flatternden Nüstern, verdrehten Augen, bebenden Lippen! Derlei Spielchen hatte er sich, wie gesagt, beigebracht, um bei Hofe die Herzen grausamer Damen zu rühren. Ich gab seinen Herren also ein Zeichen, ihn aufzufangen und zu einem Lehnstuhl zu führen, dann trat ich vor und entbot Saint-Paul erst einmal eine neuerliche Verneigung, um Muße zur Überlegung zu gewinnen, wie ich ihn anreden sollte, denn »Monseigneur« dünkte mich unmöglich und schlicht »Monsieur« angesichts dieser unerhörten Anmaßung sehr unklug.
»Herr Marschall von Frankreich«, sagte ich also (denn wenn ich schon ins Feuer mußte, dann besser einen militärischen als den Adelstitel), »ich bitte Euch vielmals um Entschuldigung für das plötzliche Übelsein meines Schwagers, des Marquis von Quéribus, er leidet an solch ärgerlichen Anfällen von Jugend auf.«
Dabei ließ ich es nicht bewenden. Weil ich mir sagte, daßHöflichkeit bei dieser Art von Hochstapler die beste Verteidigung war, spann ich Komplimente nach der Elle seiner Eitelkeit und palaverte derweise gute fünf Minuten, indem ich ihn allerdings neugierigst ins Auge faßte.
Er war, wie der junge Herzog von Guise, klein von Wuchs, doch während der Prinz von Joinville mir etwas schmächtig erschien, hatte Saint-Paul einen stämmigen, muskulösen Körper, Hals und Schultern verrieten viel Kraft. Dazu war sein Gesicht ziemlich beeindruckend, eine hohe, gewölbte Stirn, eine große Schnabelnase, ein etwas vorspringendes Kinn, üppige, gewellte Haare, nach hinten gekämmt und so reinlich gelegt, daß nicht eins übers
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