Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
andere stand, der Kinnbart säuberlich rasiert und der dicke Schnurrbart beiderseits männlich gezwirbelt: das Ganze über einer breiten, mächtigen Halskrause, wie sie von Erzligisten zum Spott über die strengen, kleinen Krausen der Hugenotten getragen wurde. Ich würde sagen, Sorgfalt und Mühe, welche diese majestätische Erscheinung bewirkt und geleckt hatten, bezeugten landesweit die törichte Arroganz dieses »Herzogs von Rethel«. Indessen fehlte es den Augen nicht an Geist, war auch der Blick drohend und argwöhnisch, jedoch nicht so sehr grausam als vielmehr voller Verachtung fürs ganze Menschengeschlecht. Und daß es diesem unerschrockenen Usurpator wenig Skrupel bereitete, den echten Herzog beiseite zu drängen, den Provinzgouverneur zu gouvernieren und dessen Verwandten in Haft zu nehmen, all das gab mir zu denken, was uns hier wohl blühen mochte.
Ich spürte genau, daß Saint-Paul meine Komplimente und meine Ergebenheit schlürfte wie Sahne, doch ohne dadurch geblendet zu sein, bohrten sich seine füchsischen Augen in meine. Und kaum hatte ich meinen Sack Höflichkeiten geleert, ließ sich schroff und militärisch seine näselnde Stimme vernehmen.
»Monsieur, wir sind im Krieg«, sagte er. »Ihr kommt aus dem feindlichen Lager. Ihr dient dem König von Navarra. Ich hingegen, der ich das volle Vertrauen der Heiligen Liga und Philipps II. genieße und vom Herzog von Mayenne zum Generalleutnant von Reims und der Champagne ernannt worden bin, herrsche in dieser Stadt dank einer spanischen Garnison, welche ich hierher verlegt habe. Ich bin also berechtigt zu fragen, was Ihr hier zu tun habt?«
»Aber, Herr Marschall von Frankreich«, sagte ich, so sanftmütig ich konnte, »obliegt es nicht Seiner Gnaden, dem Herrn Herzog von Guise und Gouverneur von Reims, dies den Marquis von Quéribus selbst zu fragen, der außerdem sein Verwandter ist?«
»Irrtum, Monsieur«, sagte Saint-Paul in schneidendem Ton und ganz von oben herab. »Bei wem logiert Ihr in Reims? Ich werde es Euch sagen: In meinem Haus! Wer bewacht Euch? Meine Hellebardiere. Wer befehligt zu Reims intra und extra muros? Ich! Wem gehorcht die Miliz? Mir! Wer hat das Rethelois besetzt, zu dessen Herzog ich mich gemacht habe? Abermals ich! Ich, der ich weder ein Freund noch ein Verwandter des Marquis von Quéribus bin.«
Hier ließ Quéribus aus seinem Sessel eine Art Knurren verlauten, doch als ich mich umwandte, ihm einen mahnenden Blick zuzuwerfen, schloß er brav die flammensprühenden Augen und sank in seine Ohnmacht zurück.
»Herr Marschall«, sagte ich, »ich vermag es nicht zu fassen, daß der Herzog von Guise, welcher der Sproß einer sehr hohen Familie und Neffe des Herzogs von Mayenne ist, so wenig für Euch zählt.«
»Er würde viel zählen«, bemerkte Saint-Paul trocken, »hätte seine Mutter sich nicht auf Navarras Seite geschlagen und wäre sie nicht, soviel ich weiß, sehr bemüht, ihm auch ihren Sohn zuzuführen. Monsieur«, fuhr er fort und bohrte seine blitzenden schwarzen Augen in meine, »genug der Umschweife! Ich frage Euch unumwunden: Seid Ihr deswegen hier?«
Der Vorteil von blauen Augen ist, daß sie manchmal voll sagenhafter Unschuld blicken können, und Gott sei Dank konnten es meine jetzt.
»Aber Herr Marschall!« rief ich, »ganz und gar nicht! Was für ein seltsames Mißverständnis! Wir sind hier, um dem Herzog von Guise eine Botschaft seiner Mutter zu überbringen, die rein nichts mit den Affären des Reiches zu tun hat, sondern, wenn ich recht verstand, allein die große finanzielle Verlegenheit Frau von Guises betrifft.«
»In dem Fall, Monsieur«, sagte Saint-Paul mit sehr scharfem Blick, »werdet Ihr nichts dagegen haben, hoffe ich, daß mein spanischer Hauptmann Euch nach meinem Fortgang durchsuchen läßt, um sicherzugehen, daß Ihr wirklich keinSendschreiben oder Dokument bei Euch habt, das die Heilige Liga beanstanden könnte.«
»Uns durchsuchen, aber Herr Marschall!« sagte ich wie indigniert.
»Ihr habt mich gehört, Monsieur!« sagte Saint-Paul, und die Worte kamen aus seinem Mund wie Musketenkugeln.
Hierauf machte er mit kargem Gruß kehrt und ging, die Schultern gestrafft, und seine Stiefel knallten auf den Fliesen. Baron de La Tour folgte ihm auf dem Fuß wie dem Löwen ein Schakal. Die Tür schlug zu, und ich stürzte zu Quéribus und hielt ihm die Hand vor den Mund.
»Um Gottes willen«, flüsterte ich, »kein Wort! Die Tür hat Ohren! Es geht um unser Leben!«
Sein Blick bekundete,
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