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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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daß er verstanden habe, und ich gab ihn frei, nicht ohne daß er mir zur Vergeltung für meine Gewalt leicht in die Hand biß. Das war wieder ganz mein Quéribus: mit über Vierzig noch verspielt wie eine Ratz.
    »Monsieur«, sagte er halb ärgerlich, halb amüsiert, »schämt Ihr Euch gar nicht, diesen Schuft mit ›Herr Marschall von Frankreich‹ anzusprechen?«
    »I bewahre«, sagte ich, »ich nenne jeden Marschall, der die Macht hat, mich filzen zu lassen. Übrigens ist es mir nur recht: In diesem Hühnerhof wird der Fuchs nicht fündig werden. Wartet einen Augenblick, ich will Pissebœuf warnen.«
    Der aber ganz harmlos auf dem Teppich saß und mit Poussevent Würfeln spielte, er hatte gleich begriffen, daß dies nicht der geeignete Moment war, eine Tür zu sprengen.
    »Moussu«, sagte beruhigend Pissebœuf, indem er des Respekts halber aufstand, seinen scherzenden Ton aber beibehielt, ohne den er sich gefühlt hätte, als hätte er die Ehre verloren, »wenn Pissebœuf junge Hunde versteckt, findet sie nicht mal die Hündin, und hätte sie eine noch so feine Nase.«
    So gascognisch großmäulig dies auch war, behielt er doch recht, denn die Durchsuchung, langwierig, lästig und sehr methodisch – ganz spanisch eben –, erbrachte nichts, obwohl sie unsere beiden Knechte mit erfaßte und die Kerkermeister so weit gingen, selbst das Sattelzeug unserer Pferde im Stall noch zu durchforschen.
    »Warum nicht noch die Ärsche?« sagte Pissebœuf.
    Nachdem die Inquisiteure fort waren, ging ich zu Pissebœufin mein Zimmer, fiel, vom nächtlichen Ritt noch wie gerädert, in einen Sessel und verfolgte halb schläfrig, halb neugierig sein findiges Tun. Schöne Leserin, sollte Ihr böser Ehegemahl eines Tages Ihre eherne Treue zu Unrecht verdächtigen und Sie in Ihren Gemächern einsperren, indem er Sie doppelt einschließt, den Schlüssel aber außen stecken läßt, dann benutzen Sie zu Ihrer Befreiung das Rezept von Pissebœuf: Sie nehmen ein wenig Mehl, kneten es mit etwas Wasser zu einem bündigen Teig; den walzen Sie auf einem Stück Papier breit, das Sie unter der Tür hindurchschieben, direkt unter das Schloß. Dann fahren Sie mit einem Stück Draht in besagtes Schloß und bewegen behutsam den Schlüssel, bis er fällt. Wenn Ihre Hand so geschickt ist wie die von Pissebœuf, wird besagter Schlüssel genau auf dem Papier landen und das klebrige Mehl verhüten, daß er weiter weg rollt. Nun ziehen Sie das Papier vorsichtig auf Ihre Seite zurück, und Sie besitzen den Schlüssel zur Freiheit, der Ihnen erlaubt, bei einfallender Dunkelheit und maskiert aus dem Haus zu gehen und Ihrem Beichtiger zu erzählen, welche Schofelei dieser Narr von Gemahl Ihnen angetan hat. Natürlich muß der Spalt unter der Tür groß genug sein, um Papier und Schlüssel hindurchzulassen. Und natürlich bleibt die Schwierigkeit, wenn Sie wieder im Haus sind, die Dinge in den ursprünglichen Zustand zu versetzen und sich in Ihren Gemächern selbst einzusperren, da der Schlüssel ja draußen steckte. Vielleicht finden Sie eine einverständige Person, die Sie zurückbegleitet und einschließt? Was mich angeht, so erlaube ich mir anzuregen, daß diese Person Ihr Beichtvater sein könnte, denn da er bereits die Sorge um Ihre Seele trägt, muß ihm doch auch daran gelegen sein, Ihren hübschen Leib vor ehelicher Gewalt zu beschützen.
    Ich sagte Pissebœuf meinen allerbesten Dank und alles Lob, das sein Wagestück und seine Pfiffigkeit verdienten, und gab ihm für seine Mühen einen Ecu, dann schickte ich ihn sowie Poussevent, sich von unseren nächtlichen Strapazen auszuruhen. Allein nun und den Schlüssel zu der kleinen Tür in Händen, schwankte ich, ob ich ihn nicht gleich erproben sollte, besann mich jedoch meiner Müdigkeit und streckte mich aufs Lager, wo ich vorm Eindämmern noch sehr die Abwesenheit meines Miroul bedauerte, denn seit wir fünfzehn waren, hatte er alle Gefahren mit mir geteilt und mir stets unsäglich gut beigestanden mit seinem Rat und seinen Armen.
    Beim Erwachen sah ich auf meiner Uhr, die ich seit meinen Tuchhändlerszeiten an einer Kette auf der Brust trug, daß ich nur knappe zwei Stunden geschlafen hatte, und weil ich immer noch bleiern müde war, spritzte ich mir kaltes Wasser ins Gesicht und holte Pissebœuf aus seinem Verschlag, damit er mir unterm Cape meine Dolche nach italienischer Art rücklings in den Gürtel steckte.
    Daß er mich begleite, wie er sich sogleich erbot, lehnte ich ab, ich hieß ihn vielmehr

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