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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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dableiben und Monsieur de Quéribus ausrichten, er möge nicht Zehen noch Finger rühren, solange ich fort war.
    Ich glaube sicher, daß Pissebœuf bei dieser Gelegenheit zu gern meinen Miroul gespielt hätte, doch hatte ich ihn nie auf diesen Fuß gestellt. Und wiewohl sein langes, hageres Gesicht Enttäuschung verriet, schwieg er, als ich unter seinem besorgten und mißbilligenden Blick, doch ohne daß er den geringsten Einspruch erhob, den Schlüssel ins Schloß drückte, den seine Kunst mir verschafft hatte, die, ehrlich gestanden, ein wenig nach Diebeshandwerk roch, sind doch die Grenzen zwischen Soldat und Langfinger ohnehin fließend. Der einzige Unterschied, den ich sehe, ist, daß man den Arkebusier für Taten lobt, die den Räuber an den Galgen bringen.
    Das Herz klopfte mir nicht wenig, als ich besagten Schlüssel umdrehte, auf die Wendeltreppe hinaustrat und die Tür hinter mir verschloß, nicht etwa damit Pissebœuf mir nicht folgte, sondern für den Fall, daß der Kerkermeister in meiner Abwesenheit überprüfte, ob die Tür verschlossen war.
    Wie vermutet, bediente die Wendeltreppe, die ich auf Katzensohlen hinunterschlich, nicht nur den Oberstock, wo wir eingesperrt waren, sondern auch die Etage darunter, woher besagter Gesang gedrungen war, und das Erdgeschoß. Wenn die Wendeltreppe hier zwei Türen hatte, so führte die eine sicherlich zu den Prunk- und Empfangsgemächern und die andere auf eine Gasse hinaus, wie ich mich versicherte, indem ich sacht das Guckloch aufschob und hindurchlinste. Leider aber war diese Tür abgeschlossen, und der Schlüssel, den ich hatte, öffnete sie nicht. Vor soviel Vorsicht stutzte ich. Das roch gewaltig nach Eifersucht und kehrte sich eher gegen die Nachtigall, die ich gehört hatte, als gegen uns. Lautlos schloß ich das Guckloch und lehnte mich an die Mauer, um nachzudenken.
    Natürlich durchschaute ich den Plan dieses Hauses einigermaßen, ich kannte ihn schließlich von anderen Adelshäusern: An der Längsfront lag die sogenannte Ehrentreppe, die zu den beiden oberen Etagen hinauf und hinunter auf einen Hof führte, den rechts und links die Pferdeställe flankierten und den zur Straße hin eine hohe Mauer mit dem Kutschentor begrenzte. Durch letzteres waren wir hereingekommen, konnten aber nicht mehr hinaus, weil dort alles von Spaniern wimmelte. Dafür war der kleine Eckturm unbewacht, in dem ich mich befand und von dem man auf eine Gasse hinterm Haus gelangen konnte, eine gute Möglichkeit, dachte ich, um heimlich Besucher zu empfangen oder sich selbst davonzustehlen. Doch um diesen Ausgang zu versuchen, brauchte man selbstverständlich den passenden Schlüssel.
    Hierüber brütete und brütete ich, bis ich die Stufen zu meinem Kerker nachdenklich und betrübt wieder hinaufstieg. Doch als ich wie ungewollt vor dem Nachtigallenkäfig im ersten Stock innehielt, kam mir der Einfall, meinen Schlüssel an diesem Schloß zu versuchen, und zu meinem Staunen öffnete er es mühelos. Warum ich so staunte, weiß ich nicht einmal, denn es hatte ja durchaus Logik, für die erste und zweite Etage denselben Schlüssel zu benutzen und für die Tür zur Gasse einen anderen, den freilich wichtigsten der drei, weil er in die Freiheit führte.
    Leser, ich will nicht verhehlen, daß ich, so tapfer ich auch zu sein glaube, dennoch zauderte, in diese Etage einzudringen. Das hieß, dachte ich, mein Leben aufs Spiel setzen, und zwar ganz unnütz, denn auf diesem Weg käme ich ganz gewiß nicht aus dem Haus. Hingegen böte es Saint-Paul, wenn er mich in seinen Privatgemächern beträfe, den besten Grund der Welt, mich zu erledigen. Alsdann, sagte ich mir, geh nicht!
    Im selben Augenblick nun erklangen, zwei Schritt von mir, Viola, Laute und Gesang aufs neue, und ich begriff, daß das reizende Konzert durch die Ankunft Saint-Pauls nur unterbrochen worden war, die eine Kammerfrau erspäht haben mochte, und daß es jetzt weiterging, nachdem man seines Weggangs sicher war. Woraus ich folgerte, daß der Lump die Zerstreuung wohl nicht schätzte, die mich bezauberte.
    Ob begründet oder nicht, diese Vermutung gab den Ausschlag. Schöne Leserin, Sie werden mir zugestehen, daß ichwenigstens einen guten Grund gefunden hatte, zu handeln, wie es mich verlockte … Ich öffnete also besagte Tür, und indem ich den Schlüssel von innen umdrehte, sperrte ich mich selber ein. Doch gibt es Kerker und Kerker, und dieser hier gefiel mir besser als der obere, zumal ich mir schmeichelte, daß meine

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