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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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mögliche Verwandtschaft mit Madame de Saint-Paul ihn noch versüßen könnte.
    Auf leisen Sohlen schlich ich durch einen dunklen Flur, jeden Moment gefaßt, auf einen Lümmel von Lakai zu stoßen. Und weil ich meine Anwesenheit unmöglich erklären konnte, fragte ich mich wahrhaftig, was ich dann tun würde. Den armen Kerl zu erstechen wäre mir erbarmungslos erschienen, mich mit ihm zu prügeln noch schlimmer.
    Den Kopf mit derlei Erwägungen voll, hörte ich etwas vor mir und wich seitab in den erstbesten Raum, der nun ein sehr helles Kämmerchen war, und weil die Helligkeit mich blendete, sah ich zuerst gar nichts, dann aber sehr deutlich eine Kammerjungfer, die mir den Rücken zuwandte und, halb bekleidet, ihr Gesicht in einer Schüssel wusch.
    Ich schloß hinter mir die Tür, und bei diesem Geräusch warf die Kleine einen Blick in den Spiegel vor sich, und als sie mich gewahrte, rundete sich ihr Mund vor Angst und Schrecken zu einem vollendeten O. Damit sie vor allem nicht schrie, war ich mit einem Satz bei ihr und hielt ihr den Mund zu, doch weil sie sich mit einer Energie wehrte, die ich nicht erwartet hatte, warf ich sie kurzerhand rücklings auf ihr Lager und mich darüber, damit sie nur ja still blieb.
    »Mädchen«, flüsterte ich ihr ins Ohr, »ich will dir nichts Böses. Ich bin einer der Edelmänner, die Monsieur de Saint-Paul heute morgen im Oberstock eingesperrt hat, und wenn du um Hilfe rufst, ist mein Leben verwirkt.«
    Und um meine friedlichen Absichten zu bekräftigen, küßte ich sie am Hals und hinter den Ohren. Und wie ich nun spürte, daß sie tatsächlich unter mir weich wurde, meinte ich, ich könnte die Hand, die ihr den Mund zuhielt, auch durch meinen Mund ersetzen. Was ich tat – und was Wunder wirkte, denn schon wurde mein Kuß erwidert, und gut erwidert, während das Mädchen gleichzeitig die kräftigen roten Arme um meine Taille schlang, als ob sie in meinem Körpergewicht endlich Annehmliches fand und dies zu steigern trachtete. Und weil ichhieraus entnahm, daß der Friedensvertrag zwischen uns geschlossen war, war ich über den raschen Abschluß so beglückt – zumal nach so kurzen Verhandlungen –, daß ich das Reden auf später verschob. Und da auf beiden Seiten gleich guter Wille war, besiegelte ich unser Bündnis denn, wie es Ort, Stunde, die verriegelte Tür, ihre wenigen Kleider und unsere gemeinsame Neigung nahelegten. Indessen hatte ich acht, daß dem so jungen und bereitwilligen Blut aus der Lust keine Folgen erwüchsen, wofür sie mir dankte, als wir nach stummer Ausgelassenheit wieder Worte fanden.
    »Monsieur«, sagte sie, den hübschen Kopf an meiner Schulter wie ein Kind, »ich müßte mich schämen, wenn Ihr mich für ein leichtes Mädchen hieltet, das sich dem ersten besten hingibt. Eigentlich bin ich gut und ehrbar, und daß ich nicht mehr Jungfrau bin, kommt daher, daß diese Sachen in meinem Dorf ohne großes Nachdenken passieren. Und was mich angeht, sowieso nur einmal, und da beschützte mich die gebenedeite Jungfrau, daß ich zum Glück nicht schwanger wurde.«
    »Was? Nur einmal? Ein einziges Mal? Und warum kam der Bursche nicht wieder, wo dein Gesicht so schmuck und dein Leib so schön rund ist?«
    »Es ging nicht«, sagte sie, »mein Vater gab mich zu Madame de Saint-Paul, und der Herzog ist so eifersüchtig, daß wir mit ihr im Haus eingesperrt leben wie Nonnen im Kloster. Kein Lakai, kein Diener, kein Kutscher darf uns dienen, der Herzog duldet um die Seine nur Frauenzimmer. Ha, Monsieur! Wie man darbt, den ganzen Tag keinen Schnurrbart zu sehen, höchstens von weitem, durchs Fenster! Und, beim Evangelium, seit einem Vierteljahr seid Ihr der erste Mann, der mir nahe kam.«
    Ein Geständnis, über das ich hellauf lachte, obgleich es das Verdienst meiner Eroberung ein wenig schmälerte.
    »Mädchen«, sagte ich, indem ich ihr halb gerührt, halb belustigt in die lauteren Augen sah, »ich bin sehr glücklich, daß ich dir gefalle. Aber, wahr wie das Evangelium, du hast dich nicht dem ersten besten hingegeben! Ich bin der Marquis de Siorac und durch meine Mutter mit den Caumont aus dem Périgord verwandt.«
    »Mit den Caumont!« sagte Louison, »aber meine Herrin ist ja eine geborene Caumont! Und Gott weiß, wie oft sie davon redet, das geht in einem fort, so stolz ist sie auf ihre Familie,und für die niedrige Herkunft ihres Gemahls hat sie nur Verachtung übrig.«
    »Deshalb siehst du mich hier, Kindchen«, sagte ich, »so gefährlich es auch sei. Ich

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