Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
mich an.
»Ja, das ist doch Péricard!« raunte er, auch ganz erstaunt.
Mehr konnte er nicht sagen, denn aus dem Seitenportal zu unserer Rechten stürzten die erwähnten Strolche, um über besagten Péricard herzufallen, voran der rothaarige Anführer.
»Tod, Tod!« schrie er, ein Messer schwingend, aus voller Kehle.
Bei diesem Schrei warf der Lakai die Fackel hin und nahm die Beine in die Hand: woran er übel tat, denn einer der Mordbuben setzte nach und schnitt ihm die Kehle durch, während Péricard und die beiden Soldaten zur nächsten Mauer eilten, um mit gedecktem Rücken wacker standzuhalten.
»Verdammt! Wollen wir da zusehen?« rief Quéribus, einmal schneller als ich, zog blank und sprang die Mörder von hinten an, sogleich gefolgt von den beiden Edelherren, mir, Pissebœuf und Poussevent.
»Pissebœuf, die Fackel!« schrie ich.
Er verstand sofort, erledigte den, der den Lakaien abgemurkst hatte, schnappte die Fackel und leuchtete uns mit einer Hand, während er mit der anderen jeden niedermachte, der ihm in die Quere kam.
Die Banditen waren so hitzig am Werk, daß sie von den Angegriffenen erst abließen, als wir hinzukamen. Und nun folgte ein heimtückisches Scharmützel mit Degen, Dolchen, Messern wohl über fünf Minuten lang, dann waren sie bezwungen, der lange Rote mit klaffender Wunde im rechten Arm, entwaffnet und gelähmt, indem sich der dicke Poussevent auf seinen Bauch setzte, die anderen tot oder verröchelnd, und bei den Unseren drei verwundet: ein Edelmann von Quéribus und die zwei Begleiter Péricards, welchselbiger uns in die Arme schloß, sowie er uns erkannte, und immer aufs neue Dankbarkeit schwor.
Ich unterbrach ihn, indem ich leise bat, uns auf verborgenem Weg zum Herzog von Guise zu führen, da ich Grund hätte, mich sogar im Hôtel Guise verstecken zu müssen, könnten sich doch leicht Spione dort eingeschlichen haben. Er versprach es, und weil der Rothaarige mir als der noch lebendigste der Bande erschien, hieß ich Poussevent und Pissebœuf ihn mitnehmen, um ihn zu verbinden.
»Cap de Diou!« sagte Pissebœuf, »den verbinden! Moussu, vergeßt Ihr, was er uns gewünscht hat? Mordiou! Ich hätte eher Lust, dem seine Kaldaunen zu lüften, als ihn zu verbinden!«
»Still, Pissebœuf!« sagte ich. »Er wird verbunden, und zwar schnell. Sein Leben, mußt du wissen, ist ab jetzt so kostbar wie deines.«
Der Rote, der, wie ich als erstes erfuhr, Malevault hieß, hörte diesen Dialog ohne ein Wimpernzucken, wahrscheinlich war es ihm Ehrensache, kühl bis ins Grab zu bleiben.
Doch als ich, nur mit ihm und Pissebœuf allein in einem kleinen Raum, seine Wunden mit Weingeist säuberte und verband, wie es sich gehörte, räusperte er sich.
»Monsieur«, sagte er mit rauher Stimme, »wieso versorgt Ihr mich so gut? Ihr schickt mich doch sowieso an den Galgen?«
»Unsinn!« sagte ich. »Wer redet von Galgen? Wenn ich nach einem Kampf ein Schwert am Boden finde, zerbreche ich es dann zur Strafe, daß es meinem Feind gedient hat, oder benutze ich es, wenn es sich meiner Hand fügt?«
»Verstehe ich recht«, sagte Malevault mit einem Blinken in den grünen Augen, »daß Ihr mich zu verwenden gedenkt?«
»Allerdings.«
»Und wie?«
»Indem ich dir Fragen stelle.«
»Also doch!« sagte Malevault mit bitterem Maul, »und meine Antworten schicken mich an den Galgen.«
»Nein. Sie retten dir das Leben. Ich schwöre es bei meiner Ehre. Pissebœuf hier ist mein Zeuge.«
»Der«, sagte Malevault mit schlauem Lächeln, »wie der redet, könnte er einer von uns sein.«
»Wir haben alle unsere Jugendsünden auf dem Kerbholz!« sagte Pissebœuf seufzend mit gespielter Reue. »Aber du kannst dem Edelmann vertrauen, Kamerad. Ein Schwur von ihm ist seine hundert Ecus wert.«
»Um Ecus kann es auch gehen«, sagte ich.
»Gut, also die Fragen«, sagte Malevault, die Augen halb gesenkt.
»Wußtest du, wer der Mann ist, den du ermorden solltest?«
»Nein«, sagte Malevault, »man hat ihn mir gestern morgen in der Frühmesse gezeigt und gesagt, wo ich ihn heute abend finde.«
»Wer ist ›man‹?«
»Weiß ich nicht«, sagte Malevault.
»Ich glaube«, sagte ich mit einverständigem Blick zu Pissebœuf, »das Schwert fügt sich doch nicht meiner Hand.«
»Ich kann Euch den Mann beschreiben«, sagte Malevault.
»Schon besser. Ich höre.«
»Er ist mittelgroß, aber sehr breit in den Schultern, hat eine stumpfe Nase, dünne Lippen wie ich und einen dicken schwarzen Schnauzbart.«
»Cap de
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