Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
habt!«
    »Tut mir leid, Pissebœuf«, sagte ich, »auch wenn es mir sehr auf dem Gewissen liegt – ich denke, da müssen wir durch.«
     
    Und nun will ich Ihnen, schöne Leserin, die Sie die vorliegenden Memoiren lesen, sagen, warum ich so entschieden habe, damit Sie die gute Meinung nicht verlieren, die Sie hoffentlich von mir haben. Wie Sie wissen, bin ich nicht blutdürstig, und obwohl dieser Bahuet ein unleugbarer Halunke war, hätte ich nicht den kleinen Finger gerührt, ihn in den Tod zu schicken, gäbe es nicht das Staatsinteresse. Bitte, entschuldigen Sie, schöne Leserin, wenn ich mich wiederhole, aber wenn Paris auch genommen war, ergab sich das Reich Heinrich IV. doch nicht von allein! Noch fehlten Hauptstücke: die nördlichen und östlichen Provinzen, welche die sogenannte Heilige Liga besetzt hielt und über welche sie die Spanier aus Flandern leicht nach Frankreich holen konnte. Laon und Reims waren also bestgeeignete Einfallsstraßen, um die Fremden aufs neue bis vor Paris zu führen. Deshalb belagerte der König Laon, und deshalb wollte er die Einigung mit dem Herzog von Guise in Reims, ein großer Bissen, in dem ein harter Knochen steckte: Saint-Paul, der uns, Quéribus und mich, glatt umgebracht hätte, hätte er sicher gewußt, daß wir um dieser Einigung willen vom König gesandt worden waren. Weil er aber hierüber noch Zweifel hegte und sich trotz aller Anmaßung doch scheute, einen Cousin des Herzogs von Guise zu töten, war er darauf verfallen, Péricard umzubringen, der von allen Dienern des Prinzen von Joinville am besten begabt war, eine günstige Einigung zwischen Heinrich IV. und dem Haus Guise zuwege zu bringen. Konnte er nicht stromab schlagen, schlug er eben stromauf in der Hoffnung, den Herzog einzuschüchtern. Es war also strikt notwendig, nunmehr ihn einzuschüchtern durch Bahuets Tod und mit demselben Eisen, das er engagiert hatte, das vorletzte Glied seiner mörderischen Kette durch das letzte auszulöschen.
    Ich hatte zu Péricard gesagt, ich wolle den Herzog unter vier Augen sprechen; deshalb schien er sehr verwundert, daß ich Pissebœuf mitnahm, als er mich zu dieser Audienz abholte, ohne doch die mindeste Verstimmung zu zeigen oder Fragen zu stellen. Er führte mich in die erste Etage des Hauses, in ein reichverziertes Gemach, dort fand ich den jungen Fürsten in Hemd und Hosen, wie er mit wütender Miene und dem Degen in der Hand Anstalt machte, eine Art Puppe mit Stichen zu durchbohren, die mit den Füßen am Boden und mit dem Hals durch ein Seil an der Decke befestigt war. Diese Übung mutete mich seltsam an und der Fechtkunst wenig zuträglich, weil die Puppe, aus deren Wunden Roßhaar austrat, sich weder regen noch gar parieren konnte, darum hielt ich auf der Schwelle verblüfft inne und schaute dem Herzog lange zu, ohne daß er in seinem närrischen Tun es merkte.
    Großartige Figur machte er, ehrlich gestanden, nicht, denn er hatte von seinem Vater weder den hohen Wuchs geerbt noch die Schönheit, noch die katzenhafte Anmut, er war klein, schmächtig und linkisch, das Gesicht nicht häßlich, nicht schön, und wenn seine Großmutter Nemours auch heftig übertrieben hatte, als sie ihn einen »Rotzbengel ohne Nase« nannte, mußte man doch zugeben, daß seine Nase ein wenig stumpf war und seiner Physiognomie etwas Kindliches gab, das durch die lavendelblauen Augen und eine gewisse Naivität im Ausdruck noch verstärkt wurde, die er von seiner Mutter hatte.
    »Was soll das mit der Puppe?« fragte ich leise Péricard, der neben mir verharrte und seinen Herrn in seiner Rage nicht zu stören wagte.
    »Ich weiß nicht, aber ich wette, daß sie für ihn Saint-Paul darstellt«, sagte Péricard leise, doch so leise er auch sprach, mußte der Name Saint-Paul das Ohr des Prinzen erreicht haben, denn er wandte sich um, und da er uns erblickte, warf er den Degen auf sein Bett, kam mit ausgestreckten Händen auf mich zu und sprach mir mit rührender und schlichter Liebenswürdigkeit, die mich an seine Mutter erinnerte, seinen Dank dafür aus, daß ich seinem Sekretär mit den Meinen zu Hilfe geeilt war. Quéribus, setzte er hinzu, mache Toilette und werde erst zum Souper wieder erscheinen, so daß er mir jetzt sein Ohr leihen könne, wisse er doch von seinem Cousin bereits, daß ich von seiner Mutter einen Brief und eine mündliche Botschaft für ihn hätte.
    »Was den Brief angeht, Monseigneur«, sagte ich, »beliebt Euch ein wenig zu gedulden, weil mein Arkebusier Pissebœuf

Weitere Kostenlose Bücher