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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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ihn wegen der Leibesvisitation gut versteckt hat und nun erst hervorholen muß.«
    Worauf mein Pissebœuf, nachdem er den Prinzen bodentief gegrüßt hatte, sich ohne weiteres auf einen Schemel setzte, seinen rechten Stiefel auszog und mit der Hand tief hineintauchte, als erstes eine Korksohle hervorzog, dann eine Filzsohle und zuletzt das Sendschreiben. Das übergab er mir, ich übergab es Péricard, Péricard übergab es kniefällig dem Prinzen – und der Prinz gab es umgehend zurück.
    »Sapperlot! Wie das stinkt! Lest Ihr, Péricard!«
    Sosehr Péricard auch die Damen liebte, hatte er doch ein derart duftendes Billett noch nie erhalten. Er entfaltete es mit spitzen Fingern, hielt es so weit wie möglich von seiner Nase weg und las:
     
    Mein Herr Sohn,
    der Überbringer dieses Briefes ist ein Edelmann, welcher mich während der Belagerung von Paris verproviantiert hat und ohne den ich sicherlich verhungert wäre. Er wird Euch berichten, in welchen Widrigkeiten und Verlegenheiten ich mich hinsichtlich unseres Hauses befinde und daß ich mir vor Sorgen die Nägel kaue. Habt die Güte, ihm gut zuzuhören. Er hat mein volles Vertrauen und wird Euch alles sagen, was ich selbst Euch sagen würde, wäre eine Reise nach Reims nicht zu strapaziös für meine kleine Person. Charles, liebt mich, wie ich Euch liebe, und bedenkt, noch ist es Zeit, unserem Hause aufzuhelfen. Möge der Himmel Euch schützen!
    Catherine, Herzogin von Guise.
    Dem Prinzen traten Tränen in die Augen, als er diese Worte hörte, und mit einem Ungestüm und einer Herablassung, die mir schmeichelten, kam er und umarmte mich.
    »Ha, Siorac!« sagte er, »nie werde ich Euch vergessen, welche Mühen und Gefahren Ihr auf Euch nahmt, um meiner Mutter und meinem Hause zu dienen, obwohl Ihr, wie ich ja weiß, dem König treu seid.«
    »Aber dies, Monseigneur«, erwiderte ich und steuerte sogleich aufs Ziel zu, »ist durchaus kein Widerspruch, und genausobegreift es Eure Frau Mutter, wenn sie wünscht, daß Ihr mit Seiner Majestät unverzüglich Euren Frieden macht. Denn das ist das Alpha und Omega ihrer Botschaft, die ich Euch zu übermitteln habe.«
    »Auch ich wünsche nichts so sehr!« rief der Herzog, indem er hin und her durchs Gemach trippelte, plötzlich stehenblieb, mir zugewandt die Rechte hob und mit starker Stimme ausrief: »Dennoch gibt es Bedingungen!«
    »Monseigneur«, sagte ich mit einer Verneigung, »so wahr ich mit Zustimmung meines Herrn hier bin, habe ich doch keine Befugnis, die Bedingungen einer Einigung zwischen Seiner Majestät und Euch zu erörtern.«
    »Nennt sie ihm trotzdem, Péricard!« sagte der Herzog mit kindischem Eigensinn.
    Péricard, der die Grenzen meines Auftrags besser begriff als sein Herr, zeigte mir durch ein kurzes Aufblicken, wie unsinnig er die Debatte fand, worauf er sich mit undurchdringlichem Gesicht vor dem Herzog verneigte.
    »Monseigneur, der Herzog von Guise«, sagte er mit neutraler Stimme, »will, wie sein Vater, Gouverneur der Champagne sein. Er wünscht, wie sein Vater vor ihm, Großmeister des Königlichen Hauses zu sein. Er verlangt die Benefizien seines Onkels, des seligen Kardinals von Guise, insbesondere jene, die das Erzbistum Reims betreffen. Und endlich möchte er, daß der König seine Schulden bezahlt, welche sich auf vierhunderttausend Ecus belaufen.«
    Von der letzten Forderung einmal abgesehen, erschien mir das alles so maßlos und, genauer gesagt, so über jede Vernunft und allen gesunden Menschenverstand, daß ich beschloß, gar nicht darauf einzugehen.
    »Monseigneur«, sagte ich, mich verneigend, »ich werde dem König diese Bedingungen übermitteln, und ich zweifle nicht, daß Eure Gesandten zu gegebener Zeit mit seinen Gesandten darüber verhandeln werden. Im Moment jedoch solltet Ihr, ohne Zeit zu verlieren, energisch wieder Euer Reimser Gouvernement in Besitz nehmen, das Monsieur de Saint-Paul Euch vor der Nase wegschnappt.«
    Es war ein Fehler von mir, von Nase zu sprechen, denn der Herzog fuhr sich sogleich mit beschämter Geste an die seine, die, genaugenommen, eher eine Ellipse von Nase war, worunterer sehr zu leiden schien, zuviel hatte man ihn schon deswegen gehänselt, sogar in der eigenen Familie.
    »Und meines Erachtens, Monseigneur«, fuhr ich eiligst fort, »bedarf es Eurerseits unverzüglicher Entschlüsse, noch heute nacht: Macht Euch zum Herrn des Westtores, das von der Bürgermiliz bewacht wird, und laßt unsere Eskorte in die Mauern ein, sie ist vierzig Mann stark

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