Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Männer der Miliz fort, »was hat Monsieur de Saint-Paul gesagt, als er Leutnant Rousselet einsperrte?«
»Böse und schmutzige Worte«, sagte der eine nach einigem Zögern, »wir würden uns schämen, sie zu wiederholen.«
»Ebendeshalb will der Herr Herzog sie hören«, sagte Péricard.
»Gibt uns der Herr Herzog den Befehl?«
»Bei deinem Leben!« sagte der Herzog, und es war ihm anzumerken, daß er diese Wiederholungen in seinem kindlichen Gemüt überaus komisch fand.
»Kameraden, ihr seid meine Zeugen«, sagte der Mann. »Alsdann, Monseigneur, indem ich Euch und Euer Haus meines Respekts versichere: Der Herzog von Rethel hat gesagt …«
»Herzog von Rethel!« sagte zähneknirschend Prinz von Joinville.
»Soll ich fortfahren, Monseigneur?«
»Und ob, bei deinem Leben!«
»Monsieur de Saint-Paul also, der kurze Zeit hierherkam, nachdem Baron de La Tour die beiden Edelmänner abgeholt hatte, die sich Verwandte des Herrn Herzogs nannten, setzte zuerst Leutnant Rousselet gefangen und sagte, Rousselet sei ein Verräter, weil er Leute in die Stadt eingelassen habe, die der Heiligen Liga nicht bekannt sind, und seien es selbst Eure Verwandten.«
»Weiter!« sagte der Herzog funkelnden Auges.
»Dann sagte er, er dulde nicht, daß die Einwohner von Reims ihm vorschrieben, was er zu tun habe: Er wisse sehr gut, daß sie diesem Grünschnabel, dem Herzog von Guise – um Vergebung, Monseigneur –, tagtäglich zusetzten, ihn zum Abzug der spanischen Garnison aufzufordern, doch das wolle er keinesfalls, und wenn der Herzog beharre, werde er statt der zweihundert Spanier zweitausend in unsere Mauern verlegen …«
»Himmel!« sagte der Herzog und schlug sich mit der Hand vor den Mund, um nicht mehr zu verraten.
»Hier ist der Hammer, Monseigneur«, sagte Rabourdin, der schnaufend gelaufen kam, »doch befehlt einem Eurer Männer, daß er das Schloß aufschlägt. Ich habe mich schon genug kompromittiert, indem ich den Hammer holte.«
»Poussevent«, raunte ich Péricard ins Ohr.
»Poussevent!« sagte laut Péricard.
Und obwohl Poussevent kein solcher Hüne war wie der Schreinermeister Tronson, lag ihm der Hammer federleicht in Händen, und mit einem Schlag stand die Tür offen.
Der arme Rousselet kam, zwinkernd im Licht und etwas wackelig auf den kurzen Beinen, aus der Zelle, weil er seit dem Vorabend nichts gegessen, nichts getrunken hatte. Der Herzog, nicht fühllos, sah seine Schwäche, ließ Brot, Wein und Schinken zu seiner Stärkung bringen, und Rousselet fiel über das Festmahl her wie ein Wolf. Als er nun, sichtlich belebt, hörte, wie ich bedauerte, daß ich nicht vor die Stadt hinauskönne, um Miroul zu benachrichtigen, sagte er, Saint-Paul habe versäumt, ihn zu durchsuchen, als er ihn einsperrte, der Schlüssel zur Fußgängerpforte stecke noch in seiner Hosentasche. Knurrend vor Freude, schickte ich Pissebœuf sogleich zu Monsieur de La Surie hinaus, ihm zu sagen, er solle fünf Männer zur Wache bei Pferden und Gepäck lassen und mit den übrigen, kriegerisch gewappnet, so schnell und leise wie möglich zu uns stoßen. Was glücklich geschah, und der Herzog sah es mit großer Genugtuung.
Es heißt, ein Glück kommt selten allein. Mit diesem Aberglauben ist es wie mit jedem anderen: Er braucht sich nur einmal zu bestätigen, und man glaubt für immer dran. Was ich zur Stunde bestätige, da ich dies schreibe, denn kaum waren unsere Männer in den Mauern und Miroul zu unserer beiderseitigen Zufriedenheit wieder bei mir, erschien ein Reitersmann, der dem Prinzen von Joinville eine Botschaft seines Onkels überbrachte, des Herzogs von Mayenne (welcher bekanntlich die Heilige Liga anführte, aber längst nicht mehr so spanisch gesinnt war wie ehedem), nämlich daß er ihn am folgenden Tag zu Reims mit einer starken Eskorte besuchen käme, und sein Neffe möge, sowie er eingetroffen, dem unerträglichen Hochmut Saint-Pauls ein Ende machen. Diese neuerliche Verstärkung und Ermutigungversetzten den Herzog in eine so jungenhafte Hochstimmung, daß er am liebsten noch in derselben Nacht gegen Saint-Paul gezogen wäre, um den Abzug der spanischen Garnison zu erzwingen. Péricard gelang es jedoch, sein Ungestüm zu zügeln.
Weil nun beschlossen wurde, daß die dreißig Männer von Guise zu Rousselets Schutz bei diesem bleiben sollten, ließ ich den Herzog mit Péricard und meinen dreißig zum herzoglichen Haus ziehen, um noch einige Augenblicke bei dem essenden und trinkenden Leutnant zu verweilen, der mir
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