Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
endlos für seine Befreiung dankte, wohl wissend, daß sie mein Werk war. Wie gesagt, mir gefiel der kleine, runde Rousselet, dessen nußbraune Augen allmählich wieder Glanz und Fröhlichkeit gewannen, und als ich da mit ihm allein bei Tische saß und ihm zutrank, teilte ich ihm unter vier Augen Mayennes Ankunft mit, damit er es auch seinen Männern sage, um ihnen Mut zu machen, daß der Stern des Tyrannen im Sinken sei. Was er auch verstand. Trotzdem aber verzog er bei dem Namen Mayenne den Mund, und da Rousselet unter den Reimsern große Autorität genoß, versuchte ich ihm über seine Bürger ein wenig auf den Zahn zu fühlen.
»Nun, Herr Marquis«, sagte er leise, indem er sich umblickte, »Ihr könnt Euch doch vorstellen, wie die Reimser denken: Frieden wollen sie, Handel und Wandel. Wir sind diese Priester satt, die sich katholischer gebärden als der Primas von Gallien, die das Schlimmste über die Bekehrung des Königs sagen und nichts wie Mord und Bluttat predigen. Wir sind die Spanier satt und den, der sie hergeholt hat. Und ehrlich gestanden, haben wir für Mayenne und andere Guises auch nicht viel übrig, schließlich sind sie mit ihrem Aufruhr seit einem halben Jahrhundert an all unserem Ungemach schuld. Aber am meisten, Herr Marquis, sind wir diesen endlosen Bürgerkrieg satt, der uns vollkommen ruiniert, wir können unsere Wolle nicht mehr in Paris verkaufen. Kurzum …«
Und als er verstummte, blickte ich ihm in die Augen.
»Kurzum?« fragte ich.
»Nun ja«, fuhr Rousselet noch leiser fort, indem er sein Gesicht dem meinen näherte, »was wir wollen, ist: uns dem König ergeben. Daß er uns Straffreiheit gewährt und dieselben Vorteile wie den anderen ligistischen Städten, die sich ergeben haben.«
»Und?« versetzte ich in demselben Ton, »warum nehmt Ihrdie Sache nicht selbst in die Hand? Warum schickt Ihr nicht eine Abordnung an den Hof, um mit dem König Rücksprache zu nehmen?«
»Mit dem König!« sagte Rousselet achselzuckend, indem er die nußbraunen Augen gen Himmel wandte, »wie sollten wir das wagen?«
»Über mich«, sagte ich gelassen, »und ich empfehle Euch dann Monsieur de Rosny, der Euch mit offenen Ohren anhören wird. Mein Freund«, fuhr ich fort, indem ich ihm die Hand auf den Arm legte, »ich wohne in Paris, dicht beim Louvre, in der Rue du Champ Fleuri. Nennt Euren Namen an meinem Tor, und meine Tür steht Euch offen.«
»Ich werde es nicht vergessen«, sagte Rousselet bewegt.
Hierauf sah er mich eine Weile schweigend an, dann plötzlich blinkten seine Augen, und über sein rundes Gesicht ging ein verschmitztes Lächeln.
»Ihr müßt zugeben, Herr Marquis«, sagte er vergnügt, »daß Saint-Paul sich nicht ganz geirrt hat, als er Euch einsperrte.«
»Und Euch!« sagte ich lachend.
Damit erhob ich mich zum Gehen, und als auch er des Respekts halber aufstand, besann ich mich, wie mein Herr Henri Quatre den Bürgersleuten begegnete und wie wunderbar einfach er mit ihnen umging (wodurch er sie sehr an sich band), und so umarmte ich ihn herzlich, worauf er rot wurde vor Freude und unser Einvernehmen besiegelt war.
Ich hatte Miroul bei diesem Gespräch nicht dabeihaben wollen, hätte seine Gegenwart Rousselet doch den Mund verschlossen. Nun aber erzählte ich ihm auf dem Rückweg meinen Vers desto froher. Quéribus ging neben uns, hörte aber nur mit halbem Ohr hin.
»Beim Ochsenhorn, Moussu!« sagte Miroul, »das nenne ich machiavellistisch! Ihr kommt hierher, um dem kleinen Guise zu helfen, daß er sich Saint-Paul vom Halse schafft, und nebenbei dringt Ihr gleich noch in Rousselet, daß er über Guises Kopf hinweg mit dem König verhandelt.«
»Und in beiden Fällen diene ich dem König«, sagte ich lächelnd. »Ich lege für ihn zwei Eisen ins Feuer: Verhandlung mit Guise oder aber mit den Bürgern von Reims.«
»Und wenn Rousselet nun nach Paris kommt, um sich mit Monsieur de Rosny zu besprechen?«
»Werde ich, ohne seinen Namen preiszugeben, Guise davon unterrichten.«
»Beim Ochsenhorn! Noch mal Machiavelli! Und warum?«
»Damit Guise, aus Furcht, die Reimser könnten ihm das Wasser abgraben, seine Forderungen an den König entschieden herunterschraubt.«
»Moussu, mir scheint, so fein ausgedacht Eure Mission an sich schon ist, verfeinert Ihr sie noch. Warum?«
»Weil ich gern möchte, Miroul«, sagte ich in gespielt leichtem, scherzendem Ton, »daß der König, wenn ich wiederkomme, sagt, daß auch ich, wie Nevers, den Sinn für die großen Interessen des
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