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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Staates habe.«
    »Mein Herr Bruder«, versetzte Quéribus verdrießlich, »gebe der Himmel, daß wir hier vor allem schnellstens zum Ende kommen! Ich habe bei dieser ganzen Mission bislang nur einen guten Moment erlebt: als ich mit blankgezogenem Degen gegen Péricards Mörder rannte. Im übrigen verstehe ich von all diesen Verwicklungen nicht die Bohne und begreife nicht, welches Vergnügen Ihr daran findet.«
    Der Herzog war, als wir eintrafen, schon zu Bett, doch Péricard erwartete uns noch zu einem Nachttrunk. Den Monsieur de La Surie, hundemüde, wie er war, allerdings ausschlug, er ging sofort schlafen. Ich machte mir dies zunutze und fragte Péricard, wann der Prinz von Joinville am nächsten Morgen Saint-Paul treffen werde.
    »Nach der Messe, in der Kirche Saint-Rémi.«
    »Bitte, Péricard, laßt mich um sechs Uhr wecken und mir einen Mann bestellen, der mich vor besagtem Treffen zu dieser Kirche führt. Ich möchte mir mit ein paar meiner Leute die Örtlichkeiten ansehen. Wann wollte der Herzog von Mayenne hier sein?«
    »Bei Tagesanbruch. Deshalb habe ich rings auf den Wällen Wachen postiert, damit sie mir seine Ankunft sofort melden.«
    »Péricard«, sagte ich ernst, »bitte, habt acht, daß der Herzog mit starker Begleitung zur Messe geht. Es könnte sein, daß Saint-Paul in seiner grenzenlosen Verwegenheit irgend etwas Verzweifeltes unternimmt, bevor Monsieur de Mayenne eintrifft.«
    »Das habe ich schon bedacht«, sagte Péricard.
    Ich tauchte meine Lippen in den Kelch, schmeckte einenleichten, prickelnden Wein, fand, daß es »nicht der schlechteste« war, wie Rabelais sagt, und betrachtete dabei Péricard. Diesem Mann, dachte ich, hat die Natur quasi alles geschenkt: Geist, Scharfsinn, Umsicht, körperliche Kraft, Schönheit, alles, nur nicht das Glück, als Herzog geboren zu sein, eine Position, die er doch soviel glänzender bekleiden würde als sein Herr.
    Péricard, der das Feingefühl selbst war, schien meinen Gedanken zu erraten, denn auf einmal lächelte er mir zu, und durch dieses freundschaftliche Lächeln ermutigt, stellte ich ihm eine Frage, die gewiß unvorsichtig war, mir aber auf der Zunge brannte.
    »Wißt Ihr, warum Mayenne seinen Neffen gegen Saint-Paul unterstützt? Das kann doch nicht im Interesse der Liga sein, da Saint-Paul ein besserer Ligist ist als Guise.«
    »Nun ja, für Herrn von Mayenne«, sagte Péricard mit feinem Lächeln, »für den Herzog von Mayenne … geht Blut über die Liga. Er hat mit eigener Hand einen seiner Hauptleute erdolcht, einen sehr tapferen Mann immerhin, weil der sich erkühnt hatte, um die Hand seiner Tochter anzuhalten, eine in seinen Augen verbrecherische Anmaßung. Was wird er demnach von einem Niedriggeborenen wie Saint-Paul halten, der sich einbildet, er könnte seinen Neffen von seinem Platz verdrängen?«
    »Ahnt Saint-Paul das?«
    »Keineswegs. Er ist von seiner spanischen Macht berauscht. Er glaubt zu sein, was zu sein er behauptet: der Herzog von Rethel.«
    »Also, ich trinke auf den Herzog von Guise«, sagte Quéribus, der schon im Stehen zu schlafen schien.
    »Ich trinke auf seine Sicherheit«, setzte ich hinzu, indem ich meinen Kelch hob, und plötzlich übermannte mich ein sonderbares Gefühl, das mir jenen Morgen vor fünf Jahren auf Schloß Blois in Erinnerung rief, als ich, verborgen hinter einem Vorhang, neben Heinrich III. zusah, wie unter den Dolchstichen der »Fünfundvierzig« der Vater desselben hohen Herrn zu Boden sank, auf dessen Gesundheit ich in dieser Nacht trank – voller aufrichtiger Wünsche für sein bedrohtes Leben.
     
    Der ehrenhafte Péricard kam anderntags persönlich, mich zu wecken, und ich bat ihn, mir außer dem versprochenen Führerzwei Soldaten mitzugeben, die ebenso wie Pissebœuf und Poussevent die Guise-Farben trugen, um meinem frühmorgendlichen Ausflug mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. Miroul und ich schlüpften wieder in unsere Büffelwämser, Zeichen der Hauptleute, egal, welcher Partei sie angehörten.
    »Bitte«, sagte Péricard, »stellt doch in der Kirche eine Wache an der Grablegung Christi auf, die in der Chorkapelle des südlichen Querschiffs steht, damit ein Bote Euch findet, falls ich einen schicken muß.«
    Was ich tat. Besagte Grablegung, die ich in einer Apsis entdeckte, indem ich Feuer schlug, ist eine Gruppe aus sieben Statuen in Lebensgröße, die um den toten Christus geschart sind, im Begriff, ihn in ein Leintuch zu hüllen. Ich ließ Pissebœuf und Poussevent dort zurück,

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