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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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klein, aber sie hat breite Schultern, einen kurzen Hals, turmharte Brüste, schwarze Augen, schöne Zähne und einen großen Mund, dem die Wörter wie Sturzbäche entspringen, wenn sie mit dem Fleischer oder dem Bäcker um das Gewicht streitet.
    Meine Kutsche benutze ich wenig, desto mehr aber meinen Karren, den ich von Zeit zu Zeit um Furage zum nahen Heuhafen schicke, wo täglich große Kähne aus den stromauf liegenden Dörfern anlegen und Futter für die hunderttausend Pariser Pferde abladen. Und als Caboche mir zu bedenken gab, daß ich für meinen Karren, damit er in dem heillosen Pariser Gedränge nicht zu Schaden komme, einen ganz anderen Kutscher brauchte als Poussevent, der mit Holpern und Stolpern und Krachen fuhr, ließ ich mich belehren und mir seinen Vetter namens Lachaise vorstellen, einen Herkules, frisch aus der Auvergne gekommen, der seine schweren Ackergäule, so meinte Caboche, wie »ein Gespann Schmetterlinge« geführt habe und wunderbar seine Peitsche zu schwingen wisse, ein kostbares Talent in Paris, wo die Kutscher ein überaus streitsüchtiges Volk sind. Und ich nahm Lachaise auf den ersten Blick.
    Schließlich, da die Montpensier, sei es aus Laune, sei es aus Bosheit oder aus beidem, ihren hünenhaften Lothringer Lakaien Franz hinausgeworfen hatte – der Leser wird sich erinnern, daß er mich vor den blutigen Attentaten seiner Herrin bewahrt hatte und ich ihn zum Dank dafür während der Pariser Belagerung durchgefüttert habe –, stellte ich auch ihn noch samt seinem Liebchen Greta ein. Er hat bei mir sozusagen das Amt des Majordomus inne, aber nur im Wohnhaus, seine Autorität erstreckt sich nicht auf Garten und Ställe, denn das ertrügen weder Faujanet noch Pissebœuf und Poussevent, weil Franz nie Soldat war und auch nicht Okzitanisch spricht, sondern Lothringisch. Also regiert er mit sicherer Hand die Kammerfrauen, indem er zugleich höflich, entschieden und unbestechlich ist, denn seine treue Liebe zu Greta schirmt ihn gegen alle lächelnden oder schmollenden Mienen ab. Er wohnt mit seiner Frau in der alten Nadlerei, die, wie gesagt, meinem Kutschentor im Champ Fleuri gegenüber liegt, und wacht, mit jederart Waffen wohlversehen, zur Nacht. Außerdem schlafen imErdgeschoß besagter Nadlerei meine beiden Pagen, die sich vor Laon, so jung sie noch sind, einer wie der andere als ebenso flink wie tapfer bewiesen haben.
    Und das müssen sie sein, genauso wie Franz; wenn Räuber uns eines Nachts überfallen und plündern wollen, dient mir die alte Nadlerei doch sozusagen als Vorposten, so daß es ihnen obliegt, die Taugenichtse zu stellen und mit ihnen die ersten Schüsse zu wechseln.
    Weil Guilleris in der Schlacht von Ivry den Tod fand und Nicolas mich bald darauf verließ, um seiner verwitweten Mutter auf dem Hof beizustehen, sind besagte zwei Pagen, Thierry und Luc, zwar neu in meinem Dienst, stehen aber ihren Vorgängern an Schönheit, Ungebärdigkeit und Dreistigkeit nicht nach. Monsieur de La Surie lenkt sie mit straffer Hand, die manchesmal zulangt und ihnen sowohl öffentliche Prügel als auch Karzer verordnet. Wie gesagt, ich unterziehe meine Leute solchen Strafen nicht. Aber Thierry und Luc sind aus gutem Haus und Kind adliger Eltern, die es mir sehr verargen würden, wenn ich ihren Sprößlingen den Stock ersparte. Da es den beiden Schlingeln verboten ist, sich bei unseren Kammerfrauen einzuschmeicheln, flattern sie in ihrer Freizeit im Champ Fleuri und anderen Gassen umher. Sie sollen da und dort willige Blütenkelche gefunden haben.
    Da wir einmal bei diesem Kapitel sind, will ich bekennen, daß ich nie habe begreifen können, warum unsere heilige Religion so großen Wert auf Keuschheit legt, die den Wegen der Natur doch so fern liegt, daß es nahezu unmöglich ist, ihre Anforderungen zu erfüllen. Das Ende vom Lied ist doch nur eine doppelte Moral, jene, die man in der Kirche verkündigt, und jene, die man außerhalb praktiziert, und mitunter, ohne das Pfarrhaus zu verlassen.
    Immer wieder beobachte ich, daß Enthaltsamkeit den Menschen bitter und trübsinnig macht, oft auch tätlich und hartherzig gegen den Nächsten. Und weil ich nun einmal gern fröhliche Gesichter um mich sehe, drücke ich vor so manchem die Augen zu, was Onkel Sauveterre gewiß entrüstet hätte. Aber, du liebe Zeit, wie Cabusse sagte, man soll das arme Tier nicht zu sehr zügeln!
    Vielleicht erinnert sich der Leser, daß Héloïse fast verhungert war, als sie während der Pariser Belagerung zu uns

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