Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
daran, ›seinen Satz aufs Papier zu bannen‹, was mir Muße ließ, ihn zu betrachten. Er war mir nicht sehr groß vorgekommen, als er stand, doch jetzt im Sitzen fand ich ihn imposant, die Schultern mächtig, die Brust gewölbt, die Gliedmaßen, schien es, strack und muskulös, das Gesicht mehr breit als lang, die Augen jettschwarz, die Haare rabenschwarz, die Haut dunkel, basaltisch, möchte ich sagen, und der ganze Mann so behaart, daß ihm die Haare quasi in Büscheln zur Nase herauswuchsen, welchselbe Nase lang war und das Kinn breit, die Lippen nicht dünn, aber fest aufeinander. Sein Wams war aus schwarzem Samt, hoch geknöpft trotz der Hitze, und die Krause hugenottisch klein. Im übrigen erinnerte Arnauld mich insofern an meinen Onkel Sauveterre, als auch bei ihm unter erhabener Strenge etwas wie Feuer glomm.
Schmucklos war sein Arbeitskabinett trotzdem nicht, es gingmit vier prächtig gerahmten Fenstern zum Garten hinaus, hatte schöne Tapisserien an den Seitenwänden und an der dritten eine Täfelung aus kostbarem Holz, die von oben bis unten, von rechts nach links, mit Türchen verschlossene Fächer aufwies, die vermutlich nur mittels einer geheimen Mechanik zu öffnen waren und wahrscheinlich seine wichtigsten Papiere bargen. Ich stelle mir dies vor, weil ich ebensolche Geheimfächer auf Schloß Blois, im Arbeitskabinett Katharinas von Medici, gesehen hatte. Da Antoine Arnauld seinerzeit ihr Generalprokurator gewesen war, wird er diese Fächer gewiß oft bewundert haben. Und nach dem Tod der Königinmutter ließ er sie sich in seinem schönen Pariser Haus nachbauen, samt der verborgenen Trittleiste, mittels derer man sie öffnete. Was bezeugt, daß es ihm an Geld nicht mangelte. Und daß er daran auch nicht sparte, um sein Heim zu verschönern.
»Es ist getan, Herr Marquis«, sagte Arnauld und legte die Feder aus der Hand, nicht ohne einige Befriedigung auf dem strengen Gesicht. »Nun bin ich ganz Ohr für Euch und stehe Euch zu Diensten.«
»Ehrwürdiger Maître«, sagte ich, »der König hat mich, in aller Vertraulichkeit, beauftragt, mich über den Prozeß zu informieren, den Universität und Pfarrer gegen die Jesuiten angestrengt haben. Ich habe mich bereits kundig gemacht, und über diese Sekte und ihre Doppelnatur, über ihre verführerischen Lehrmethoden, über den annehmlichen Ablaß, welchen sie den Großen erteilt, und ihren unersättlichen Appetit auf Legate habe ich manches Beunruhigende vernommen, doch bislang nichts, was die Verbannung ihrer Gesellschaft rechtfertigen könnte. Ihr werdet selbst festgestellt haben, Maître, da Ihr namens der Universität gegen sie plädiert, daß diese ihnen bitter ankreidet, ihre Privilegien gebrochen und ihre Lehranstalten durch ihre eigenen hervorragenden und kostenlosen Schulen ruiniert zu haben. Was die Pfarrer angeht, so verwünschen sie die Jesuiten, weil sie ihnen die reichsten Penitenten rauben, und die Bischöfe rasen, weil ihre Weisungen von ihnen mißachtet werden. Wer aber sieht nicht in beiden Fällen nur Futterneid von Butike zu Butike und fragt sich nicht, ob das große Rühren gegen die Jesuiten sich nicht nur daraus erklärt?«
Nicht ohne einen gewissen Hintergedanken machte ich mich derweise zum Advocatus Diaboli, wußte ich doch, daß etlichenamhafte Herren – der Herzog von Nevers, Herr von O, Epernon, der Prokurator La Guesle, Antoine Séguier und die gute Hälfte des Hohen Gerichts – in dieser Angelegenheit räsonierten wie ich und heftig am Rade drehten, um den Prozeß zu vertagen. Ich meinte also, Antoine Arnauld durch Widerspruch hinlänglich gereizt zu haben, um seinen Zorn zu entfesseln, auf daß ich Klarheit erhielte. Was auch geschah.
»Ha, Monsieur«, rief er mit Donnerstimme und hämmerte mit beiden Fäusten auf den Tisch, der uns trennte, »wie Ihr redet! Aber ich bin fest überzeugt, daß Ihr das selbst nicht glaubt! Denn es ist derart unwissend, ungenügend und fahrlässig, daß es in Anbetracht der Wahrheit dem Schaum auf dem First einer stürzenden Woge gleicht: ohne jede Haltbarkeit, Kraft und Substanz. Glaubt Ihr, ich wäre mit Leib und Seele in diesen Kampf eingetreten, wenn es sich in meinen Augen um einen elenden Streit kleinlicher Interessen handelte? Nein, nein! Die Affäre hat ein ganz anderes Gewicht, das weit über Universität und Geistlichkeit hinausreicht. Hier geht es um das Leben des Königs, um den Frieden in diesem Land und die Zukunft der Nation, ja Europas.«
»Ehrwürdiger Maître!« sagte
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