Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
das wißt Ihr besser als ich – tötete ein Mann namens Balthasar Gérard den Prinzen von Oranien zu Delft durch einen Pistolenschuß. Dieser Gérard war in seinem verbrecherischen Unterfangen außerordentlich ermutigt worden von einem Jesuiten, dem er zu Trier begegnet war. Im selben Jahr konspirierte der englische Edelmann William Parry unter dem Einfluß des Jesuiten Codreto gegen das Leben von Königin Elisabeth. Zwei Jahre später führte Babington eine neue Verschwörung gegen Königin Elisabeth an: Diese Verschwörung war angeregt und gelenkt worden von dem Jesuiten Ballard, der festgenommen, eingekerkert und hingerichtet wurde. Im Jahr 1589 schließlich wurde Heinrich III. in Saint-Cloud durch einen Messerstich getötet.«
»Aber von einem Jakobiner«, sagte ich, »nicht von einem Jesuiten.«
»Was nur ein Zeichen dafür ist«, sagte Arnauld, »daß ihre Theorie über die Rechtmäßigkeit des Königsmordes Anhänger gefunden hatte. Doch bei dem Attentat Barrières auf Heinrich IV.begegnen wir bereits wieder einem Jesuiten, der
in effigie
1 hingerichtet wurde. Reicht das nicht, Herr Marquis«, fuhr Arnauld mit starker Stimme fort, »Euch zu überzeugen, daß die Jesuiterei ein satanischer Verein ist, in welchem sämtliche Mordanschläge ausgeheckt worden sind, die innerhalb der letzten zehn Jahre auf exkommunizierte Könige Europas verübt wurden – wobei diese Könige ganz zufällig in jedem Fall auch das Haupthindernis für Spaniens Beherrschung des Okzidents darstellten? Wißt Ihr, daß die Jesuitenpater am Pariser Collège de Clermont, alles echtbürtige Franzosen, sich weigern und ihren Schutzbefohlenen verbieten, für den König von Frankreich zu beten?«
»Ich weiß es.«
»Dafür aber beten sie morgens und abends
pro rege nostro Philippo
2 . Kann man sich eine monströsere Verkehrung der Religion vorstellen, wenn befohlen wird, sich gegen das eigene Vaterland zu stellen, und nicht etwa zum größeren Ruhm Gottes, sondern um für ein anderes einzutreten, das der Feind des Landes ist, in dem man geboren wurde, und das nach nichts so sehr trachtet wie nach dessen Unterwerfung? Die Jesuiten, Marquis, geben nicht Gott, was Gottes ist, und Cäsar, was Cäsars ist. Sie geben Cäsar, was Gottes ist.«
SECHSTES KAPITEL
Dieser letzte Satz Antoine Arnaulds hallte den ganzen Tag in mir nach, sogar in der Nacht noch, die unserem Gespräch folgte, mehrmals hatte ich entsetzliche, von bangem und beklommenem Wachen unterbrochene Träume, in welchen ich Henri Quatre wie seinen Vorgänger unter den Stichen eines fanatischen Mönchs zusammenbrechen sah.
Als ich aber im Wachen das ganze Problem überdachte, schien es mir, daß Arnaulds Satz über die Jesuiten, nämlich daß sie »Cäsar gäben, was Gottes ist«, nicht ganz den Kern der Wahrheit traf. Sicherlich bestand kein Zweifel, daß die sogenannte Gesellschaft Jesu in Spanien von einem spanischen Hauptmann gegründet worden war und daß sie seit ihrer Gründung ihrem vom spanischen König ernannten General
perinde ac cadaver
gehorchte. Doch waren ihr im Lauf der Zeiten zahllose Jesuiten beigetreten, die in anderen Königreichen sich an anderer Milch genährt hatten, so daß der Orden auf die Dauer gewiß »entspani siert « worden wäre (wie meine liebe Herzogin sagte), wäre die katholische Kirche durch die reformierte Religion nicht bis in ihre Grundfesten in Frage gestellt worden. Von da an, und gerade weil der Glaube der Jesuiten so unanfechtbar und fanatisch war, stellten sie sich, auch wenn ihnen dies die blutigsten Taten abverlangte, in den Dienst desjenigen Herrschers, der in Europa Schild und Schwert der römischen Kirche verkörperte.
Mehr noch: Der weltliche Arm zählte bei ihnen schließlich mehr als das geistliche Haupt und der von Philipp II. erwählte spanische General mehr als der Papst. War es nicht bezeichnend, daß sie dem Oberhirten in Rom Gehorsam erst an vierter Stelle gelobten, während sie ihrem Ordensgeneral gleich mit dem ersten Gelübde ihren Kadavergehorsam schworen? Und das kam, weil sie, ihren eigenen Begriffen gemäß,
in illo
(in ihrem General nämlich)
Christum velut praesentem agnoscant
1 .
Eine sonderbare Vergötzung und die eine Seite derselben Medaille, auf deren anderer ein Exkommunizierter überall vogelfrei war; jeder, der wollte, konnte ihn erschlagen im Namen Gottes, der doch den Mord verbot.
Gewiß stellten es die Jesuiten längst nicht so roh an wie jener Jakobiner, der meinem geliebten Herrn, König
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