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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Heinrich III., das Messer in den Leib gestoßen hatte. Sie jagten einem exkommunizierten König das Eisen nicht selbst in die Eingeweide, sie trieben andere zu der Bluttat an. In ihren Collèges lehrten sie, daß es löblich sei, einen
erwiesenen Tyrannen
zu erschlagen. Auf den Kanzeln gingen sie sogar noch weiter. Sie riefen einen Ahod 1 herbei, auf daß er besagten Tyrannen vernichte. Und wo immer in ganz Europa sich ein Tollkopf fand, der ihnen das glühende Verlangen beichtete, einen protestantischen Fürsten umzubringen – Wilhelm von Oranien, Königin Elisabeth oder Heinrich IV. von Frankreich –, so ermutigten sie ihn auf dieser verbrecherischen Bahn, indem sie ihm die ewige Glückseligkeit verhießen. Daß Henri Quatre sich zum katholischen Glauben bekehrt hatte, verschlug ihnen wenig: Sie erkannten seine Bekehrung nicht an.
    Ich weiß noch, daß ich am Morgen nach dieser Nacht der Alpträume sehr erregt von düsteren Vorahnungen war und mit Monsieur de La Surie lange erwog, ob wir nicht hinreiten und den König warnen sollten – der noch immer zu Laon weilte und die Huldigungen der nördlichen Städte entgegennahm. Denn nach alledem, was ich über die Jesuiten und ihre enge Verbindung zu Philipp II. in Erfahrung gebracht hatte, war es völlig klar, daß der König von Spanien, nachdem Henri seine Armeen zu wiederholten Malen geschlagen hatte, diesen jetzt nur mehr überwinden konnte, indem er den Dämon des Mordes losließ. Monsieur de La Surie riet jedoch von einer solchen Reise ab, indem er mir vorstellte, daß der König in seinem Feldlager von einem machtvollen Heer und wachsamen Hauptleuten umgeben wäre und man sich mit dieser Warnung Zeit lassen könne, bis er wieder in Paris sei. Das überzeugte mich wohl, aber dennoch blieb ich bedrückt, grüblerisch und stumm.
    »Moussu«, sagte Miroul darum, »soweit ich weiß, sind Trübsal und Trauer jetzt nicht am Platz. Der König ist gesundund munter, und wie ich höre, genießt er zu Laon seinen Sieg, ergötzt sich an der Jagd, am Paumespiel, am Ringelstechen, an der Liebe seiner schönen Gabrielle. Moussu, was sollen wir hier um ihn weinen, wenn er dort glücklich lacht, und seiner mit Seufzen und Schluchzen gedenken, wo er so guter Dinge ist und sich voll und ganz des Lebens freut? Moussu, wenn Ihr erlaubt, Euch einen guten Rat zu geben …«
    »Gib, Miroul, gib!«
    »Wieso geht Ihr nicht nach dem Mittagsmahl dorthin, wo Ihr jeden Nachmittag hinzugehen pflegt und von wo Ihr jedesmal so erquickt und fröhlich wiederkehrt, daß es eine Freude ist, Eure Miene zu sehen? Glaubt mir, schickt die schweren Sorgen für jetzt zum Teufel, und badet Eure Seele in dem reinen Quell, an dem Ihr Euch so gerne labt.«
    »Das hast du schön gesagt, mein Miroul, und aus gutem Herzen. Ich werde deinen Rat befolgen.«
    Doch, ach! anstatt meine Sorgen zu zerstreuen, mehrte dieser Besuch sie nur. Denn kaum hatte ich den Schlüssel, den Catherine von Guise mir anvertraut hatte, in die kleine grüne Tür gesteckt – die in einen Garten hinterm Hause führte und mir erlaubte, ungesehen ins Hôtel Guise zu gelangen –, als ich zu meiner nicht geringen Verwunderung merkte, daß er zwar glatt ins Schlüsselloch hineinging, dort aber feststeckte, ohne daß die Zunge sich auch nur im mindesten bewegte, ich mochte es noch so oft und so energisch versuchen. Des Kampfes müde und schweißbedeckt, zog ich schließlich den Schlüssel heraus und legte mein Auge ans Schlüsselloch, wo ich denn am frischen Glanz des Metalls und an gewissen Spuren im Holz erkannte, daß das Schloß ausgewechselt worden war. Mir klopfte das Herz so heftig in der Brust, und meine Beine zitterten so sehr, daß ich, um nicht umzusinken, mich mit beiden Händen am Türrahmen festhielt, bis Körper und Geist mir wieder gehorchten, war ich doch hin und her gerissen zwischen dem Glauben an das Zeugnis meiner Sinne und der unfaßbar grausamen Bedeutung dieses Schloßwechsels. In meiner Ratlosigkeit steckte ich den Schlüssel aufs neue ins Schloß, und von jäher Raserei geschüttelt, drückte ich ihn mit solcher Kraft, daß er zerbrach: der Bart blieb drinnen, ich hatte nur den Schaft in der Hand.
    Ich fühlte mich so dumm und kläglich mit diesem völlig unnützen Schlüsselrest in Händen, daß ich ihn in den Rinnsteinwarf, sogleich aber über die Torheit meines Betragens bestürzt war und durch die Scham hierüber ein wenig zur Besinnung kam. Auch bemerkte ich nun, wie ich angestarrt wurde von Gaffern, an denen

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