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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Königin hat überlebt. Als Puffer und Schutz wurde sie von Arbeiterinnen umringt.«
    »Sie legen wirklich ein merkwürdiges Verhalten zutage. Kein menschliches, aber ein … merkwürdiges.«
    »Jedenfalls würde ich, wenn nicht ein weiterer Mord an einem Chemiker passiert wäre, noch immer in Ihren Kerkern hocken, und sie wären alle tot.«
    »Nein, Sie wären so oder so freigelassen worden. Das Gutachten des Gerichtsmediziners hat ergeben, daß die Verletzungen der Brüder Salta und der übrigen nicht von Ihren Ameisen verursacht worden sein können. Ihre Kiefer sind zu kurz. Ich war wieder einmal zu voreilig und dumm.«
    Ihre Haare waren jetzt trocken. Sie verließ das Zimmer und schlüpfte in ein Kleid aus weißer Seide mit Jademustern.
    Als sie mit einem Krug Ambrosia zurückkam, meinte sie:
    »Nachdem der Untersuchungsrichter meine Freilassung angeordnet hat, können Sie natürlich leicht behaupten, mich schon für unschuldig gehalten zu haben.«
    Er protestierte: »Immerhin hatte ich ein paar ernstzunehmende Anhaltspunkte. Sie können die Tatsachen nicht leugnen. Es sind tatsächlich Ameisen gekommen, um mich in meinem Bett zu überfallen. Sie haben meine Katze Marie-Charlotte tatsächlich getötet. Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen. Nicht ›Ihre‹ Ameisen haben die Brüder Salta, Caroline Nogard, Maximilian MacHarious, die Odergins und Miguel Cygneriaz getötet, aber es waren trotzdem Ameisen.
    Laetitia, ich sage Ihnen noch einmal, ich habe immer Ihre Hilfe gebraucht. Teilen wir unsere Ideen miteinander.« Er sprach mit Nachdruck. »Dieses Rätsel erregt Sie genauso wie mich.
    Arbeiten wir zusammen, fernab von der Gesetzesmühle. Ich weiß nicht, wer der Rattenfänger von Hameln ist, aber er ist ein Genie. Wir müssen ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Allein schaffe ich das nie, aber mit Ihnen und Ihrem Wissen über die Ameisen und die Menschen …«
    Sie zündete sich in ihrer Zigarettenspitze eine lange Zigarette an. Sie dachte nach. Er setzte sein Plädoyer fort: »Laetitia, ich bin kein Krimiheld, ich bin ein ganz normaler Mensch. Darum kommt es vor, daß ich mich täusche, eine Untersuchung vermassele, Unschuldige einsperre. Ich weiß, daß das ein schwerer Irrtum war. Es tut mir leid, und ich will es wiedergutmachen.«
    »Na schön. Ich bin bereit, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.
    Aber nur unter einer Bedingung.«
    »Verlangen Sie, was Sie wollen.«
    »Wenn wir den oder die Schuldigen gefunden haben, überlassen Sie mir exklusiv den Bericht über die Untersuchung.«
    »Kein Problem.«
    Er streckte ihr die Hand hin.
    Sie zögerte, ehe sie sie annahm.
    »Ich verzeihe immer zu schnell. Vermutlich mache ich jetzt den dümmsten Fehler meines Lebens.«
    Sie machten sich sogleich an die Arbeit. Jacques Méliès legte ihr alle Stücke der Akte vor: Fotos der Leichen, Autopsie-berichte, Zusammenfassungen über die Vergangenheit der Opfer, Röntgenaufnahmen der inneren Verletzungen, Beobachtungen über die Fliegen.
    Laetitia gab ihm nichts von ihren eigenen Nachforschungen, erkannte aber bereitwillig an, daß alles auf die Idee »Ameisen«
    hinauslief. Die Ameisen waren die Waffe, und die Ameisen waren das Motiv. Das Wesentliche blieb damit noch herauszufinden: wer sie steuerte und wie.
    Sie prüften eine Liste mit terroristischen Umweltbewegungen und fanatischen Tierfreunden, die alle Tiere im Zoo sowie alle Insekten und Vögel in Käfigen befreien wollten. Laetitia schüttelte den Kopf.
    »Wissen Sie, Méliès, selbst wenn jegliche Schuld auf sie zu deuten scheint, halte ich Ameisen nicht für fähig, Hersteller von Insektiziden umzubringen.«
    »Und warum nicht?«
    »Sie sind zu intelligent dafür. Vergeltung zu üben ist eine menschliche Vorstellung. Die Rache ist eine Idee der Menschen. Wir sind dabei, unsere eigenen Gefühle auf die Ameisen zu übertragen. Warum sollten die Ameisen die Menschen angreifen, wenn sie doch nur zu warten brauchen, bis die einander ganz allein vernichtet haben?«
    Dieses Argument ließ Jacques Méliès sich einen Augenblick lang durch den Kopf gehen.
    »Ob es Ameisen sind, ein Rattenfänger von Hameln oder ein Mensch, der die Schuld auf Ameisen lenken will – es lohnt sich doch trotzdem, den oder die Täter zu suchen, oder? Und sei es nur, um Ihre kleinen Freundinnen zu entlasten?«
    »Stimmt.«
    Sie betrachteten alle Teile des Puzzles, die auf dem großen Tisch im Wohnzimmer ausgebreitet lagen. Sie waren beide davon überzeugt, genügend Teilstücke zu besitzen,

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