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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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um ihre logische Verbindung aufzudecken.
    Plötzlich sprang Laetitia auf.
    »Verlieren wir keine Zeit. Alles, was wir wollen, ist doch eigentlich, den Mörder zu entlarven. Dazu ist mir was in den Sinn gekommen. Etwas ganz Einfaches. Passen Sie auf!«
     
     

121. ENZYKLOPÄDIE
     
    ZIVILISATIONSSCHOCK: Gottfried von Bouillon setzte sich an die Spitze des zweiten Kreuzzuges zur Befreiung Jerusalems und des Heiligen Grabs. Diesmal wurden die etwa hunderttausend Pilger von viertausendfünfhundert Rittern in Kriegsrüstung begleitet. Größtenteils handelte es sich um jüngere Söhne des Adels, die wegen des Erstgeburtsrechts keinen Anspruch auf ein Lehen hatten. Unter dem Deckmantel der Religion hofften diese Adligen ohne Erbteil, fremde Burgen zu erobern und endlich Land zu besitzen.
    Was ihnen auch gelang. Jedesmal, wenn sie ein Schloß einnahmen, ließen die Ritter sich dort nieder und vergaßen den Kreuzzug. Oft kämpften sie untereinander um den Besitz der Ländereien einer eroberten Stadt. Prinz Bohemond von Tarent zum Beispiel beschloß, auf eigene Rechnung die Stadt Antiochia unter seine Gewalt zu bringen. Die Kreuzzügler mußten einige der Ihren bekämpfen, um sie davon zu überzeugen, beim Kreuzzug zu bleiben. Paradoxerweise verbündeten sich abendländische Adlige, um besser ans Ziel zu gelangen und ihre Kampfgefährten auszuschalten, mit morgen-ländischen Emiren. Diese zögerten ihrerseits nicht, sich mit anderen Emiren zu vereinen, um dagegen zu halten. Es kam der Moment, wo man nicht mehr wußte, wer gegen wen kämpfte noch um was. Viele hatten gar das ursprüngliche Ziel des Kreuzzugs vergessen.
    Edmond Wells Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Bd. 2

122. IN DEN BERGEN
    In der Ferne zeichnen sich die Umrisse von Hügeln, dann von Bergen ab. Die eingeborenen grauen Ameisen haben den ersten Gipfel »Torfberg« genannt – wegen des trockenen Torfs, der sich dort kräuselt. Er ist nicht allzu schwer zu überqueren.
    Die Kreuzzüglerinnen haben einen schmalen, aber niedrigen Paß entdeckt. Die hohen Wände aus weißem, grauem und beigem Stein wechseln einander ab und geben so die Stufen ihrer Geschichte preis. In dem alterslosen Felsen haben sich Fossilienspuren in Form von Spiralen oder Hörnern erhalten.
    Auf die Schluchten folgen Canyons. Jeder Spalt ist für die Ameisensoldatinnen ein tödlicher Abgrund, in den zu rutschen verhängnisvoll wäre.
    Die Kälte stellt den Konvoi auf eine harte Probe, und alle sind bemüht, rasch dort herauszukommen. Den Ameisen, die sich über die Kälte beklagen, bieten mitfühlende Bienen ein wenig Honig an, damit sie wieder zu Kräften kommen.
    Nr. 103 ist beunruhigt. Sie erinnert sich nicht, jemals über diese Gebirgsregion geklettert zu sein. Pah! Mag sein, daß sie zu weit nach Norden abgekommen sind, doch es genügt ja, in Richtung Sonne zu marschieren, um ans Ende der Welt zu gelangen. Ja, sie brauchen nur geradeaus weiterzugehen.
    Der öde Felsen hat ihnen nur gelbe Flechten als Salat anzubieten. Es gibt dort vor allem ein bestimmtes Moos, Funaria hygrometrica, das so genannt wird, weil seine Kapseln sich zusammenziehen, wenn die Luftfeuchtigkeit steigt.
    Endlich ein Tal mit Bergamottebäumen. Das lange Marschieren im Freien steigert das Sehvermögen der Kreuzzüglerinnen, schließlich bestimmt der Bedarf die Leistungsfähigkeit der Organe. Sie ertragen das Licht immer besser, suchen nicht mehr nach schattigen Zonen und können Landschaften erkennen, die sich über dreißig Schritt entfernt von ihren Facettenaugen befinden.
    Das bewahrt die Kundschafterinnen allerdings nicht davor, in eine Falle von Sandläufern zu geraten. Diese kleinen Käfer graben Verstecke in den Boden und tarnen sie. Sobald sie eine Erschütterung bemerken, kommen sie hoch und schnappen sich die Spaziergängerinnen.
    Danach stößt die Karawane auf eine Barriere aus Brennesseln. Für die Ameisen ist das, als würde vor ihnen plötzlich eine Mauer aus riesigem Stacheldraht aufragen, in dem sich sofort ihre Beine verfangen.
    Sie kommen ohne allzu große Schäden durch. Das wirkliche Hindernis liegt ein Stück weiter: Eine Spalte und unmittelbar dahinter ein Wasserfall. Sie wissen nicht, wie sie zugleich diese Schlucht und eine flüssige Mauer überwinden sollen.
    Bienen wagen den Versuch und stürzen in den Wasserfall.
    Das Wasser vernichtet alles, was fliegt, sagen die Fliegen.
    Und erst recht dieser Vorhang aus wildem Eiswasser.
    Den Schmetterlingskokon fest umklammernd,

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