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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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gezwungen, sich Tests auszusetzen, ehe sie neue Nahrung verzehren, um so Epidemien und Vergiftungen vorzubeugen.
    Edmond Wells Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Bd. 2
     

126. DER KÖDER
     
    Als die Meldung im Sonntagsecho erschien, hatten Laetitia Wells und Jacques Méliès bereits unter dem Namen Professor Takagumi ein Zimmer im Hotel Beau Rivage gebucht. Ein paar Trinkgelder an die richtigen Leute erlaubte es ihnen, dort eine Scheinwand einzuziehen und dahinter einen sehr raffinierten Kontrollmechanismus einzurichten.
    Übers ganze Zimmer verteilt stellten sie Videokameras auf, die beim geringsten Luftzug ein empfindliches Warnsystem auslösten. Schließlich legten sie in das Bett eine Puppe mit japanischen Zügen. Dann legten sie sich auf die Lauer.
    »Ich wette, daß die Ameisen kommen!« stieß Kommissar Méliès hervor.
    »Die Wette gilt. Ich wette, daß es ein Mensch ist.«
    Sie brauchten nur noch zu warten, welcher Fisch an ihrem Haken anbeißen würde.

127. ERKUNDUNGSFLUG
    Weit vorne leuchtet ein winziger Schein.
    Die Luft wird wärmer. Die Kreuzzüglerinnen beschleunigen ihr Tempo. In einem langen Pulk verlassen sie die düstere Kälte der Grotte und geraten auf ein sonniges Steilufer.
    In der Luft schwirren Libellen. Und wo Libellen sind, ist auch ein Fluß. Der Kreuzzug ist nicht mehr weit vom Ziel, soviel steht fest.
    Nr. 103 sucht sich das schönste Nashorn aus, dasjenige, das
    »Großes Horn« genannt wird, weil es den längsten Nasenfortsatz hat. Sie hakt sich mit ihren Krallen im Chitin fest und bittet es, zu einem Aufklärungsflug abzuheben. Zwölf berittene Artilleristinnen folgen ihr als Schutzgeleit für den Fall einer unangenehmen Begegnung mit einem Vogel.
    Gemeinsam reiten sie auf dem Wind dahin und rasen im Sturzflug auf den Fluß zu, der von Lichtpailletten funkelt.
    Gleitflug zwischen den Luftströmen.
    In vollkommener Synchronie richten die zwölf fliegenden Insekten ihre Flügelspitzen an einer gedachten Achse aus und drehen nach links ab.
    Das Manöver vollzieht sich so schnell, daß Nr. 103 durch die Zentrifugalkraft an ihr Luftroß gedrückt wird.
    Die Reinheit der Luft macht sie trunken.
    An diesem blauen Himmel wirkt alles so klar, so sauber.
    Vorbei der Ansturm von vielerlei Düften, der die Insekten zu beständiger Aufmerksamkeit nötigt. Nur noch der durchsichtige Strom durchsichtiger Luft ist übrig.
    Die zwölf Käfer verlangsamen ihre Flügelschläge. Still schweben sie dahin.
    Unten zieht eine Prozession von Formen und Farben vorbei.
    Das Geschwader setzt zum Tiefflug an. Die herrlichen Luftschiffe gleiten zwischen Trauerweiden und Erlen durch.
    Auf »Großes Horn« fühlt Nr. 103 sich wohl. Durch das enge Zusammenleben mit den Nashornkäfern hat sie gelernt, sie voneinander zu unterscheiden. Ihr Flugtier besitzt nicht nur das höchste und spitzeste Horn des ganzen Geschwaders, sondern auch die muskulösesten Beine und längsten Flügel. Und
    »Großes Horn« hat noch einen Vorteil: Es ist der einzige Käfer, der sich überlegt hat, wie er fliegen muß, um den Artilleristinnen die beste Schußposition zu ermöglichen. Er weiß auch, wann er umzukehren hat, wenn er von einem fliegenden Räuber verfolgt wird.
    Mit einfachen Düften fragt Nr. 103, ob die Käfer die Reise genießen. »Großes Horn« antwortet, daß der Marsch durch den düsteren Gang mühsam gewesen sei. Die dicken Koleopter brauchten Platz. Außerdem hätten er und einige seiner Gefährten zufällig Gespräche mitbekommen, bei denen von
    »Göttern« die Rede gewesen sei. Sei Götter eine andere Bezeichnung für die Finger?
    Nr. 103 antwortet ausweichend. Die »Krankheit der Seelenstimmungen« darf nicht auf die Söldner übergreifen.
    Andernfalls würde die Polemik sich verschärfen und mit dem Kreuzzug wäre Schluß, noch ehe er das Ende der Welt erreicht hätte.
    »Großes Horn« meldet eine Torfzone. Im Torf wühlen die Käfer des Südens nämlich gern. Manche von ihnen sind wirklich staunenswert. Alle Käfer haben ihre Eigenheiten, keine Art gleicht der anderen. Auch diese Südlinge könnten beim Kreuzzug von Nutzen sein. Warum nicht welche anwerben? Nr. 103 ist einverstanden. Jede Hilfe ist willkommen.
    Sie fliegen.
    Um den Fluß herum strömt der balsamische Duft von Schierling, Sumpfvergißmeinnicht und Geißbart auf. Unten gleitet ein Teppich aus weißen, rosigen und gelben Seerosen vorbei wie ein Klecks von schlecht verteiltem, buntem Konfetti.
    Das Geschwader kreist über dem

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